Das Walheim-Thema in diesem Jahr: der Wilde Westen. Foto: Edgar Rehberger - Edgar Rehberger

Für viele Kinder ist es das Highlight des Jahres: zwei Wochen Waldheim in den Sommerferien. Jeden Tag Programm, viel an der frischen Luft, Bewegung, Spiel, Spaß, Ausflüge, für Essen und Trinken ist gesorgt

Bad CannstattFür viele Kinder ist es das Highlight des Jahres: zwei Wochen Waldheim in den Sommerferien. Jeden Tag Programm, viel an der frischen Luft, Bewegung, Spiel, Spaß, Ausflüge, für Essen und Trinken ist gesorgt. Doch das will erst einmal organisiert sein. Im evangelischen Ferienwaldheim in Steinhaldenfeld starten bereits im April die Vorbereitungen für vier Wochen Waldheim. „Da beginnen wir mit der Lebensmittelbestellung“, beschreibt Waldheim-Leiterin Anita Rösslein. Dabei wird auf Regionalität geachtet. Bäcker und Metzger sind von hier.

8200 Mädchen und Jungen verbringen in diesem Jahr einen Teil ihrer Sommerferien in einem der 31 zur Verfügung stehenden Ferienwaldheime oder entsprechenden Einrichtungen in Stuttgart. Das Waldheim in der Zuckerbergstraße, eine Einrichtung der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Bad Cannstatt, ist auf 125 Kinder pro Abschnitt (jeweils zwei Wochen) ausgelegt. Im ersten Abschnitt sind es 139 Teilnehmer im Alter zwischen 5 und 14 Jahren. „Wer bringt es übers Herz, einem Kind abzusagen?“, fragt die Leiterin. Zudem gebe es Notlagen und Sonderfälle. So stand am zweiten Waldheimtag eine Mutter mit drei Kindern im Hof und fragte, ob dies das Waldheim sei. Ihre beiden älteren Kinder wollten mit ihren Freunden was ausmachen, aber alle seien im Waldheim. Da wollte sie sich erkundigen. Die beiden Jungs wurden natürlich noch aufgenommen. „Sie bedanken sich jeden Tag und sind mit Begeisterung dabei“, strahlt Rösslein. „Eine größere Freude hätte man ihnen nicht machen können.“

Um 8.30 Uhr öffnet das Tor

Bereits vor 8.30 Uhr geht es am Tor zum evangelischen Waldheim zu wie im Ameisenhaufen. Alle können es kaum erwarten, bis das Tor geöffnet wird. Dann geht es in den Hof, wird ein Halbkreis vor der „Kulisse“ gebildet, begrüßt, ein paar Worte mit auf den Weg gegeben. Dann geht es zum Frühstück. „Das ist immer unser Einstieg.“ Die „Kulisse“ ist immer dem Waldheim-Motto gewidmet. In diesem Jahr ist es der Wilde Westen. Eine kleine Westernkulisse mit dem „Saloon Stonefield“ und einem „Jail“. Das wurde in der Woche vor Waldheimbeginn von den Mitarbeitern aufgebaut. Das Material stellt das Bauunternehmen Rahm zur Verfügung.

Bereits um 7 Uhr ist das Küchenteam da und bereitet das Frühstück vor. Das Team der Profiköche Olaf Palko und Sven Scheidemann besteht aus sechs Personen, die vier Mal am Tag für Mahlzeiten sorgen – für 139 Waldheimkinder, 42 Mitarbeiter und das Küchenteam. Neben Frühstück, Mittag- und Abendessen gibt es noch einen nachmittäglichen Imbiss. Für das Mittagessen sind an diesem Tag 45 Kilogramm Maultaschen zu bearbeiten. Die müssen erst mal geschnitten, dann Unmengen Salat geputzt werden. „Oder 200 Schnitzel frisch paniert werden“, ergänzt Koch Palko. Beim Essenzubereiten muss auch an Unverträglichkeiten gedacht werden. Es gibt in diesem Jahr beispielsweise Apfelallergiker, Fructoseintoleranzler, Vegetarier und Flexitarier. Muslimische Kinder dürfen kein Schweinefleisch auf den Teller bekommen. Bei der Anmeldung muss mitgeteilt werden, welche Lebensmittel das Kind nicht verträgt.

Nach den Mahlzeiten wird gespült. „Dreimal am Tag“, beschreibt Heinz Dressler mit Blick auf Teller und Töpfe. Vier Wochen steht der Ruheständler in der professionell ausgestatteten Küche im Spülbereich, seinem „Revier“. Arbeit in der Küche ist kein Zuckerschlecken. Um 7 Uhr beginnt die Arbeit. Um 18 Uhr, wenn die Kinder das Waldheim-Gelände verlassen, wird noch die Küche aufgeräumt, der nächste Tag vorbereitet. Die meisten Küchenhelfer sind seit Jahren dabei. „Nach dem ersten Tag wollte ich gar nicht mehr kommen“, erzählt eine. Komplett erschöpft wollte sie nur noch nach Hause auf die Couch. Den anderen erging es nicht anders. Doch tags darauf war sie wieder da. „Man macht es doch für die Kinder.“ Begeisterte Gesichter seien der Lohn für die ganzen Mühen.

Und alles ehrenamtlich. Lediglich eine Aufwandsentschädigung gibt es für die Mitarbeiter, die dafür zum Teil Sonderurlaub nehmen. „Küche ist ein Knochenjob“, sagt Micha beim Mittagessen bewundernd. Er ist der Stellvertreter von Anita Rösslein und für Verwaltung, Personal und Abrechnung zuständig. Er arbeitet bei der Branddirektion Stuttgart und weist die typische Waldheim-Karriere auf. Erst als Kind – „mein Bruder und ich haben uns hier wohlgefühlt“ – dann als Gruppenbetreuer aktiv gewesen und schließlich im Leitungsteam gelandet. „Ich bin dem Waldheim immer verbunden geblieben.“ Manche setzen noch einen drauf. „Es gibt Paare, die haben sich hier kennengelernt und deren Kinder sind jetzt auch hier“, weiß Anita Rösslein.

Altersmäßig in Gruppen aufgeteilt

Die knapp 140 Waldheim-Kinder sind altersmäßig in Gruppen aufgeteilt. Ist die Gruppe morgens nicht vollzählig, wird zuhause angerufen. „Hier geht keiner verloren.“ Das Waldheim in der Zuckerbergstraße ist als „Ausflugswaldheim“ bekannt. Die Gruppen sind viel unterwegs, im Freibad, auf dem Abenteuerspielplatz, beim Stadtspiel Mister X dabei, am Stadtpalais. Donnerstags sind alle gemeinsam beim Ausflug. Den organisiert die Gruppe P 15. Das sind 15-Jährige, die während einer Waldheimwoche auf die Tätigkeit als pädagogischer Betreuer vorbereitet werden. „Unsere Betreuer müssen mindestens 16 Jahre alt sein“, so Rösslein, „wegen der Aufsichtspflicht.“ Am zweiten Donnerstag steht nach einem Gottesdienst ein Kinderfest auf dem Programm.

Die Besonderheit: Das Waldheim in Steinhaldenfeld ist auch samstags geöffnet – bis 13 Uhr. „Etwa die Hälfte der Kinder nutzt das Angebot“, beschreibt Micha. Das Klientel des evangelischen Ferienwaldheims kommt aus Neu-Stein-Hofen, aus Mühlhausen und Bad Cannstatt. „Es gibt auch auswärtige Kinder, deren Eltern bei Bosch, Mahle oder Daimler arbeiten“, so Anita Rösslein. In ihrem Büro ist ständig etwas los. Ein Betreuer fragt, ob er mit seiner Gruppe zum Bowlen oder Kegeln kann, zwei Kinder berichten, dass es ins Bällebad regnet, die Küche meldet, dass noch Salat und Tomaten benötigt werden. Ihr Handy klingelt immer wieder. Anita Rösslein organisiert und vernetzt. Das kann sie gut. Seit mehr als 20 Jahren ist sie dabei. Ihre Kinder waren im Waldheim, helfen jetzt natürlich mit. Seit zehn Jahren leitet sie das Waldheim.

Küche nur fürs Waldheim genutzt

Samstags vor der Eröffnung werden die Lebensmittel und Konserven eingeräumt, nach den vier Wochen alles leer geräumt, die Küche, die nur während des Waldheims genutzt wird, winterfest gemacht. Die Bälle aus dem Bällebad kommen in Säcke, das Equipment in einen Container, der Rest wird in der Lerchenheide untergebracht. Dann kommt eine Fachfirma zur Reinigung, anschließend wird das Waldheim wieder der Kirchenpflege übergeben. Zwei Räume werden das Jahr über als Klassenzimmer der Helene-Schoettle-Schule genutzt. Das alte Gebäude wurde 2006 nach dem Waldheimferienende abgerissen und der Neubau kurz vor der Waldheim-Saison 2007 fertig. „Es ist schon ein Zweckbau mit viel Beton.“ Im Freibereich gab es in diesem Jahr drei neue Spielgeräte, die feierlich eingeweiht wurden. Zuvor wurde eine Terrasse in Eigenarbeit angelegt, auch ein „Strand“ aus Häckselmaterial entstand, samt Holzhaus mit dem Bällebad.

Um 12 Uhr gibt es Mittagessen. Zwei bis drei Kinder decken für ihre Gruppe den Tisch. Nach dem Gong holen diese dann das Essen am zugewiesenen Platz für ihr Team ab. Alles funktioniert reibungslos. Dann erfolgt reihum ein Ritual. Es wird von 10 bis 0 heruntergezählt, dann heißt es: „Fröhlich sei das Mittagessen, guten Appetit.“ Gleiches passiert zum Frühstück und Abendessen, bevor die Kinder das Gelände verlassen. Heute endet Abschnitt 1, am Montag beginnt es von vorn.