Neun von insgesamt zwölf Brückenteilen wurden bereits über den Neckar geschoben. Foto: Nagel - Nagel

Gestern erreichten die neue Brücke für Stuttgart 21 den Seilerwasen. Damit ist die Hälfte der 345 Meter geschafft.

Bad Cannstatt Daniel Wäschenbach ist gerade einmal 38 Jahre alt und bereits für ein 35-Millionen-Euro teures Projekt verantwortlich. Der Bauingenieur ist der Nachfolger von Sebastian Heer, der bis vor wenigen Wochen noch Teamleiter war und der jetzt bei den Tunnelbauern der Deutschen Bahn sich neuen Aufgaben stellt. Gespannt blickte gestern Daniel Wäschenbach einige Meter hoch zu dem gelben Schnabel, der quasi die „Vorhut“ der eigentlichen Stahlkonstruktion darstellt. Denn über ihn werden die insgesamt zwölf Takte vom Westufer aus in Richtung Seilerwasen seit dem Sommer vergangenen Jahres geschoben. „Wir liegen im Zeitplan“, sagte Wäschenbach und verfolgte die letzten Zentimeter der Stahlträger, die über die Behelfskonstruktion kurz vor 9 Uhr noch gepresst werden musste, um dann sicher auf dem Brückenpfeiler „abgelegt“ werden zu können. Auf denen Trägern wird dann der rund 20 Meter lange Takt vorwärts geschoben. Eine Zentimeterarbeit , wobei am anderen Ufer von der riesigen Montagehalle aus gewaltige Schubkräfte wirken müssen. „Insgesamt werden gerade knapp 2400 Tonnen Stahl über den Fluss bewegt“, so der 38-Jährige. Mittlerweile wurden auf diese Weise neun Takte verarbeitet. Probleme habe es in diesem Zeitraum keine gegeben.

Rund 165 der insgesamt 345 Meter langen Brücke sind geschafft, was insbesondere Passanten und Radfahrer freuen dürfte. Denn das große Ziel heißt immer noch, dass die unten angehängte, 4,5 Meter breite Brücke Ende 2019 freigegeben wird. „In Absprache mit der Stadt soll der Steg als erstes und so schnell wie möglich in Betrieb gehen“, betonte der Bauingenieur. Während die Deutsche Bahn am Seilerwasen für die Anbindung sorgt, ist dafür auf der Westseite die Stadt verantwortlich. Das Tiefbauamt muss hierfür eine Brücke als Ersatz für den Elefantensteg über die Neckartalstraße errichten lassen.

Wie wichtig diese Verbindung von der Cannstatter Altstadt in den Rosensteinpark für die Bürger ist, wurde bei einem Infoabend der Bahn zur neuen Neckarbrücke Mitte März offenkundig. Nicht nur wurden die meisten Fragen zum Eröffnungstermin der untergehängten Brücke gestellt, viele forderten damals sogar, sie zu verbreitern. „Das geht zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht mehr“, so Daniel Wäschenbach. Zum einen sei die bauliche Dimension in Absprache mit der Stadt erfolgt, zudem wären an der Brückenkonstruktion die Vorrichtungen bereits angebracht, an denen der Steg über Stahlstangen später „aufgehängt“ werden soll. Und das zu ändern, wäre mit sehr hohen Kosten verbunden.

Das laut Bahn „spektakuläre und stadtbildprägende Bauwerk“ wird an der Stelle stehen, an der einst der beliebte Holzsteg über den Fluss geführt hat. Der bereits 1998 prämierte Entwurf des Stuttgarter Ingenieurbüros Schlaich, Bergermann und Partner sieht eine markante Stahlsegelbrücke vor. Die seitlichen Stahlsegel sollen dabei nicht nur als Teil des Brückentragwerks dienen, sondern auch als Schallschutz. Vier Gleise werden einmal über die Brücke führen – je zwei für den S-Bahn-Verkehr sowie für Fern- und Regionalzüge.

Bis das einmal der Fall ist, werden noch einige Jahre vergehen. Die heutige Farbe, so die Bahn, werde sicher halten und vor der Eröffnung wird das gesamte Bauwerk samt Belag und Gleisen noch einmal auf Herz und Nieren untersucht.

Die neue Neckarbrücke in Bad Cannstatt wird bereits die vierte Eisenbahnbrücke über den Neckar zwischen Stuttgart und Bad Cannstatt sein. Was einmal aus der dritten, die aus dem Jahr 1916 stammt, wird, steht noch nicht fest. Sie befindet sich heute im Besitz der Bahn. Doch machen sich heute schon Stadtverwaltung und Kommunalpolitik ihre Gedanken, was mit dem altehrwürdigen Bauwerk einmal geschehen könnte. Sie war auch Bestandteil des Ideenwettbewerbs für das Neckarknie, das bis 2035 im großen Stil umgestaltet werden soll.