Eine neunköpfige Gruppe aus der Pfalz genießt die letzten Stunden, bevor es am Abend ins Konzert geht – in Anspielung auf die Metal-Band findet dieses übrigens in der „Slayer-Halle“ statt. Foto: Andrea Eisenmann - Andrea Eisenmann

Der Campingplatz auf dem Wasen ist nicht nur zu Frühlings- und Volksfestzeit gut besucht. Auch sonst besuchen ihn Gäste aus Nah und Fern. Wir waren einen Tag dabei.

Bad CannstattMit einem Rattern gehen die Rollladen an dem blaugestrichenen Gebäude in die Höhe. Zuerst auf der einen Seite, dann auf der anderen. Anne Kaufmann schließt die Tür auf und steckt ihren dunkelroten Lockenkopf heraus. „Sie können gern zuerst einen Stellplatz suchen und dann zu mir in die Anmeldung kommen“, ruft sie den Wartenden zu – zu diesem Zeitpunkt sechs Personen, die wenige Minuten zuvor mit Wohnmobilen auf dem Wasen eingetroffen sind. Was sie eint: Alle sind froh nach zum Teil mehrstündigen Fahrten am Ziel angekommen zu sein. Ein Ehepaar aus Spaichingen im mittleren Alter steckt sich eine Zigarette an. Drei Wochen waren sie in diesem Jahr bereits mit dem Wohnmobil – „unser Haus auf Rädern“ – auf Sardinien unterwegs. In Stuttgart ist jedoch nur eine Nacht auf dem 17 000 Quadratmeter großen Campingplatz geplant. Der Grund für den Besuch: „Wir gehen ins Konzert in die Schleyerhalle.“ Dort wird am Abend die US-amerikanische Metalband „Slayer“ die Bühne rocken – das letzte Gastspiel des Quartetts auf europäischem Boden.

Das Ehepaar ist mit der Idee, Konzertbesuch und Camping zu verbinden, nicht allein. Vielerorts sitzen Fans im schwarzen Slayer-T-Shirt auf Klappstühlen vor geöffneten Wohnmobiltüren. Eine neunköpfige Gruppe aus Lauda stimmt sich mit Bier und Fußball auf den Abend ein. Gaskocher und Grill stehen für das Essen bereit. „Zum Nachspülen haben wir Pfälzer Wein dabei.“ Auf einem Laptop verfolgt ein Teil der Gruppe das Auswärtsspiel des 1. FC Kaiserslautern gegen Preußen Münster. Noch führen die roten Teufel. „Wir freuen uns auf die Slayer-Halle“, witzeln sie.

Der Großteil der Campinggäste kommt aus dem Bundesgebiet, vereinzelt finden sich an den Wohnmobilen und Campingwagen auch Nummernschilder aus Frankreich, Österreich und Belgien. Geschäftsführer Jürgen Kaufmann dreht unzählige Male am Tag eine Runde über das Gelände, beobachtet das Geschehen, greift ein, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. Der Platz werde vorwiegend von Reisenden genutzt, die auf der Durchreise sind, sagt er. „Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei 2,5 Tagen.“ Besonders gefragt sind die Stellplätze während Frühlings- und Volksfestzeit. Kein Wunder, sind von den Zelten bis zum Schlafplatz nur wenige Schritte zurückzulegen. Allein Servicepersonal und Schausteller beanspruchen in dieser Zeit gut die Hälfte der Stellflächen. Wer nicht Monate zuvor reserviert hat, geht das Risiko ein, abgewiesen zu werden. Aber auch zu Konzerten und anderen Veranstaltungen im Neckarpark reisen Besucher gern mit einem „Hotel am Haken“ an oder sichern sich auf der Wiese ein Plätzchen für ihr Zelt. Und es gibt seit fünf Jahren noch die Möglichkeit, für einen oder mehrere Tage eines der Holzfässer zu mieten. „Wir hatten ein Ehepaar, das sogar seine Hochzeitsnacht darin verbracht hat“, erinnert sich der Chef des Campingplatzes.

Eine Klingel ist zu hören. Anne Kaufmann eilt in den hinteren Teil des Gebäudes und öffnet die Scheibe des Kiosks, wo eine ältere Frau wartet. „Ich hätte gern eine Tasse Kaffee und möchte die Flasche hier abgeben.“ Zum Sortiment in den Regalen gehören Zahnpasta, Shampoo, Süßigkeiten und natürlich Ravioli sowie Spaghetti. Einfach in der Zubereitung muss das Essen sein, ein Fünf-Gänge-Menü erwartet auf dem Campingplatz keiner. Es gibt auf dem Gelände aber auch ein Bistro, in dem die Gäste speisen können. „Wissen Sie, wie wir an Strom kommen?“, wird Kaufmann von einer dreiköpfigen Familie aus Österreich gefragt. Sie zeigt auf Platzwart Ism ail Sariciek. „Er wird ihnen sofort helfen.“ Es ist ein langer Tag, der vor ihr liegt. Erst gegen 22 Uhr wird Kaufmann die Rollläden am Empfang wieder herunterlassen. Das Kurioseste, was sie je erlebt hat? Die 63-Jährige denkt nach und erzählt dann von einem Gast, einem Angler. Der Mann hatte im Max-Eyth-See einen riesigen Fisch gefangen und wollte diesen der Familie präsentieren. Und so entschied er sich, das Tier ungefragt in einem Waschbecken „unterzubringen“ – ein Anblick, der nicht bei allen Besuchern auf Begeisterung stieß. „Er versprach, den Fisch zurückzubringen und tatsächlich war das Tier am nächsten Morgen weg.