Renate Zürn arbeitet als Justizfachwirtin unter anderem an der Infothek des Amtsgerichts in der Badstraße. Foto: Schumacher - Schumacher

Seit 1973 arbeitet Renate Zürn mit wenigen Unterbrechungen im Amtsgericht. Seit 16 Jahren gehört die Betreuung der Infothek zu ihren Aufgaben. Dort ist die Justizfachwirtin im Foyer Ansprechpartnerin für Besucher und lernt täglich neue Menschen und deren Schicksale kennen.

Bad Cannstatt Im Rahmen einer sechsteiligen Serie werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Amtsgerichts Bad Cannstatt, das für den Stadtbezirk sowie für Untertürkheim, Obertürkheim, Feuerbach, Münster, Mühlhausen, Stammheim, Weilimdorf und Zuffenhausen zuständig ist. Heute stellen wir die Justizfachwirtin Renate Zürn vor, die unter anderem die Infothek betreut und zu den vertrautesten Gesichtern im Amtsgericht zählt.

Seit 1973 arbeitet Renate Zürn mit wenigen Unterbrechungen im Amtsgericht. Seit 16 Jahren gehört die Betreuung der Infothek zu ihren Aufgaben. Dort ist die Justizfachwirtin im Foyer Ansprechpartnerin für Besucher und lernt täglich neue Menschen und deren Schicksale kennen. Da war zum Beispiel eine ältere Dame, die jeden Tag ins Amtsgericht kam, um ein Bonbon aus dem Glas, das auf dem Tresen der Infothek steht, zu nehmen. „Das war ihre einzige Süßigkeit, denn für derartige Dinge reichte ihr Geld nicht“, sagt Zürn. Oder ein Mann, der sich zwar die Bahnfahrt nicht leisten konnte, aber die Rate einer Strafe begleichen wollte, und daher zu Fuß von Esslingen nach Bad Cannstatt lief. Das Geld für die Rückfahrt hat Zürn ihm dann aus eigener Tasche geliehen „und auch wieder zurückbekommen“.

Konflikte bleiben nicht aus

Genauso der Fall einer jungen Mutter, die nicht weiter wusste, weil die Bank ihr den Zugriff auf ihr Konto verweigerte, hat Zürn bewegt. Obwohl Sozialhilfe eigentlich nicht gepfändet werden darf, konnte die Frau seit Tagen kein Geld abheben. „Ihr Kind hatte sie zum Mittagessen bei den Nachbarn abgegeben. Die Frau hatte seit zwei Tagen keine Mahlzeit zu sich genommen.“ Zürn habe zwar versucht, mit den Bankmitarbeitern zu telefonieren, letztlich aber nichts erreichen können. „Solche Schicksale gehen einem nach.“ Auch Konflikte bleiben an der Infothek nicht aus: Jeden Tag wenden sich viele Besucher an Renate Zürn und ihre Kollegen und „alle, die zu uns kommen, bringen ein Problem mit, das sie gelöst haben wollen“. Zum Beispiel, weil jemand seinen Führerschein abgeben muss oder Einspruch einlegen möchte, wie etwa gegen die Höhe einer Geldstrafe. Auch sogenannte Verteidigungsanzeigen in Zivilverfahren nimmt die Justizfachwirtin auf. In diesen Schriftstücken teilt der Beklagte dem Gericht mit, dass er sich gegen eine Klage wehren möchte. Diese Erklärungen leitet sie an die zuständigen Referate weiter.

Es liegt auf der Hand, dass Geldstrafen oder Klagen für die Betroffenen belastend sind und die Nerven blank liegen. In solchen Situationen findet Zürn es wichtig, selbst Ruhe zu bewahren und zuzuhören. Doch herauszufinden, um was es sich bei den Anliegen konkret handelt, „ist manchmal nicht so einfach“. Sei es, weil sich Besucher nur schwer in deutscher Sprache ausdrücken können oder weil sie die Schreiben des Gerichts wegen des juristischen Fachjargons nicht verstehen. Wegen der unterschiedlichen Anliegen müssen Zürn und ihre Kollegen von der Info-thek den Überblick über Straf-, Familien- und Zivilsachen haben. „Das ist sehr abwechslungsreich, weil man in allen Bereichen ein gewisses Grundwissen benötigt.“ Wenn nicht weitergeholfen werden kann, sind die Reaktionen der Besucher unterschiedlich. Da sich viele Menschen in Ausnahmesituationen befinden, könne der Ton etwas rauer werden. Zum Schutz der Mitarbeiter gibt es daher eine Glasscheibe an der Infothek, die verschlossen werden kann. „Normalerweise werden wir mit solchen Situationen aber fertig.“

Abrechnung der Auslagen

Wer als Zeuge vor Gericht geladen ist, hat es auch mit Renate Zürn zu tun. Denn sie ist als Anweisungsbeamtin für die Auslagen zuständig. In dieser Funktion rechnet sie beispielsweise Fahrtkosten und Verdienstausfälle der Zeugen oder die Vergütung von Sachverständigen und Dolmetschern ab. Auch nach einem abgeschlossenen Prozess kommt Arbeit auf die 60-Jährige zu. Sie ermittelt die Kosten des Verfahrens. Hierzu gehören Auslagen genauso wie Gerichtsgebühren, „eigentlich alles außer Rechtsanwaltskosten“. Denn vor der Verhandlung wurde ein Gerichtskostenvorschuss veranschlagt, der mit der Endabrechnung verglichen werden muss.