Angelika Milster im Gespräch mit Edgar Rehberger Foto: Ronny Fischer (z) - Ronny Fischer (z)

Interview mit Angelika Milster, der Grande Dame des Musicals. Die erste Cats-Darstellerin noch viel unterwegs. In diesem Jahr Musicaltour, Kirchenkonzerte und Schauspielauftritte.

Bad Cannstatt Sie wird als Grande Dame des Musicals bezeichnet, hat aber weitaus mehr zu bieten. Angelika Milster beeindruckt mit ihrer künstlerischen Wandlungsfähigkeit Publikum und Kritiker seit Jahrzehnten gleichermaßen. Neben ihrer Bühnenkarriere ist sie auch als Schauspielerin und Synchronsprecherin aktiv. Am 12. Juli erschien ihr Album „Milster singt Musical“, mit dem sie am 11. Oktober in der Liederhalle gastiert. „Der Moment, auf der Bühne zu stehen, ist mir wichtig“, erzählt die Künstlerin beim Treffen.

Sie können auf eine überaus erfolgreiche Karriere zurückblicken, haben immer noch einen prallvollen Terminkalender. Woher nehmen Sie den Antrieb und die Energie?

Das ist in mir drin. Das ist eine Uhr, die tickt. Ich liebe meinen Beruf und der liebe Gott soll mir nicht umsonst in den Hals gespuckt haben.

Sie haben einmal gesagt, die Neugier treibt Sie an. Ist das immer noch so?

Ja, noch immer. Ich liebe das, was ich mache.

Ihre Stimme ist ihr Kapital. Wie halten Sie diese in Schwung?

Indem ich gar nicht darüber nachdenke, mir keinen Schal umbinde und regelmäßig zum Gesangsunterricht gehe. Und immer Einsingen, das ist ganz wichtig. Allein das Wissen, wie es geht, nutzt nichts. Du musst mit deiner Naturstimme technisch singen, egal ob die Opern singst oder abrockst. Und fürs Musical musst du keine klassische Sängerin sein. Das ist ein Missverständnis.

Sie sind immer wieder für Überraschungen gut. Wie etwa mit den Kirchenkonzerten. Was kann man noch von Ihnen erwarten?

Ich mache jetzt seit 15 Jahren Kirchenkonzerte. Da wird es jetzt ein neues Programm geben mit sakraler Musik oder mit Titeln, die gut in die Kirche passen wie „Du hast mir Glück gebracht“. Ich muss ja nicht immer „Gott“ und „Jesus oh Herr“ singen, sondern einfach die Menschen in der Kirche berühren, mit einer Aussage, die mit Liebe, mit Hoffnung, mit Vertrauen zu tun hat. Wenn ich singe „Die große Liebe ist wie stilles Wasser“, dann passt das in die Kirche. Da kannst du natürlich nicht singen, denke ich, „Weil ich dich liebe“ , Schlager oder Pop, das würde ich nicht machen. Natürlich kann ich von der Stimme her Gospel singen. Nein, will ich nicht. Man hat den Farbigen schon ihr Land genommen, da wollen wir ihnen nicht auch noch ihre Musik nehmen.

Ihr neues Album „Milster singt Musical“ ist gerade erschienen. Sind Sie damit dem Wunsch Ihrer Fans nachgekommen?

Nein, das war mein Wunsch. Einfach mal die neuen Musicaltitel aufzunehmen. Eigentlich eine Liebeserklärung an das Musical. Am 3. Oktober geht die große Deutschlandtour los, da freue ich mich sehr drauf. Dann kommt die Kirchentour. Im August und September gibt es wieder „Das weiße Rössl“ im Renaissance Theater in Berlin. Da wird wieder gejodelt. Das ist gar nicht einfach. Ich hab mal mit Maria Helwig gesprochen und gesagt, ich würde so gerne mal jodeln. Sie meinte: „Hör auf. Wenn du das machst, hau ich dir auf den Popo. Jodeln versaut die Stimme.“ Das ist eine andere Technik. Der Glottischlag. eine Technik beim Jodeln, strapaziert die Stimmbänder. Ich hab’s trotzdem gemacht. Es ist ja nicht so, dass ich mein Leben lang jodle. Und so toll wie sie kann ich das nicht.

Das Programm ab Oktober besteht nur aus Musicaltiteln?

Ja, Es gibt Titel aus dem Album und einen Querschnitt aus 50 Jahren Musicalgeschichte. Das Repertoire reicht von der Tenorarie über Songs von Abba und Rocknummern von Freddie Mercury und Queen wie „We will rock you“ bis zu Musicalpartien der starken Frauenrollen.

Haben Sie ein Orchester dabei?

Nein. Ich werde alternierend von den beiden hervorragenden Pianisten Professor Harald Lierhammer aus Stuttgart und Professor Jürgen Grimm aus Köln begleitet. Das große Orchester werden wir Halb-Playback einspielen. Das Piano wird jeweils

live zum Halb-Playback eingespielt - das zusammen ergibt eine schöne Klangfarbe. Ich singe natürlich live. Das ist wichtig zu wissen.

Sie werden „Grande Dame des Musicals“ genannt. Ist das für Sie ok? Sie sind doch weit vielseitiger.

Das ist doch ein Kompliment. Wer ist da beleidigt, wenn er so genannt wird? Die wissen ja alle, dass ich auch das andere Fach beherrsche. Ich spiele sehr gerne Theater, mache gern Schauspiel. Ach, ich habe viel gemacht in meinem Leben, habe es mir aber nicht leicht gemacht. Wer spielt denn noch heute Aristophanes? 200 Seiten, ich bin bald verrückt geworden. Dachte, das kriegst du nie hin. Ich kann gut Text lernen, aber so einer, da ist Shakespeare nix dagegen. Das kann man aber alles lernen.

Wenn Sie wählen müssten zwischen Gesang und Schauspiel? Was würden Sie nehmen?

Das gehört doch beides zusammen. Das kann man nicht trennen. Ich mache ja keine Stimmakrobatik. Ich erzähle musikalisch eine Geschichte. Du musst von jeder Rolle, von jeder Figur wissen, was sagt sie aus. Es geht nicht darum, immer das hohe C zu treffen. Es geht darum, dass die Situation des Gesanges mit dem Text stimmt.

Brauchen Sie lange, um in eine Rolle zu schlüpfen?

Wenn du begabt bist, geht es schnell. Wenn nicht, kannst du es gleich vergessen (lacht).

Wie gehen Sie mit Kritik um? Von wem nehmen Sie Kritik an?

Von allen. Ich habe noch nie erlebt, dass ich niedergemacht wurde. Mich ärgert es, wenn ich eine Kritik lese, die doof geschrieben ist, das kann ich nicht ab. Nur, um alles niederzumachen. Das habe ich einmal erlebt, bei einem Theaterstück. Da wird ein halbes Jahr ein Film gedreht und hart daran gearbeitet und dann kommt einer und macht alles zunichte. Das finde ich dann nicht so prickelnd. Ich habe keine Probleme mit den Journalisten. Darauf musst du dich in diesem Beruf einstellen. Streckst du den Kopf raus, kannst du eine drauf kriegen. Damit musst du leben. Wenn du das nicht kannst, hast du den falschen Beruf.

Sie haben zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten. Was bedeuten Ihnen diese?

Ein Liebesbeweis vom Publikum. Ganz einfach. Ich habe diesen Beruf nicht ergriffen, um Preise zu bekommen und Millionär zu werden. Ich liebe einfach diese Kunst. Ich habe schon eingangs gesagt, mir wurde eine schöne Stimme gegeben und ich möchte das auch nutzen. Ich bin keine, die nach den Einschaltquoten guckt. Ich werde immer wieder gefragt, „Hast du dich gestern im Fernsehen gesehen?“ Dann sag ich „Nein“. Der Moment, auf der Bühnen zu stehen, ist für mich wichtig. Ich guck mich nie an.

Dann würden Sie sich nicht als ehrgeizig bezeichnen?

Natürlich bin ich ehrgeizig. Ich möchte schon alles rausholen. Ich beschäftige mich aber vorher damit. Wenn ich nicht mehr neugierig bin und dieses Kribbeln, diese Herausforderung spüre, dann höre ich auf. Ich bin aber noch immer neugierig auf diesen Beruf. Sehr. Ich möchte noch ganz viele neue Dinge machen.

Dann wird man noch viel von Angelika Milster hören?

Ja. Ich will noch ein schönes Kirchenkonzert aufnehmen. Dann würde ich gerne noch einen großen Chansonabend machen. Ich würde gerne noch mal „Mahagony“ spielen und im Schauspiel würde ich gerne „Den Besuch der alten Dame“ spielen. Diese große Rolle der Norma Desmond in Sunset Boulevard durfte ich bereits spielen.

Wie entspannen Sie sich?

Im Garten mit meinem Hund. Einfach Zuhause sein. Pflanzen, mit dem Spaten herumlaufen, kochen, meinen Mann bedienen. Das mache ich gern. Ich bediene gerne andere Menschen.

Welche Musik läuft bei Ihnen zuhause?

Gar keine. Und wenn, dann klassisch. Wir haben nicht mal eine Stereoanlage. Brauche ich nicht. Dann gehe ich lieber in die Oper. Ich bin so froh, wenn ich mal meine Ruhe habe. Letztes Jahr waren es 140 Konzerte. Das war richtig viel. Nur unterwegs. Das Gute ist: Ich kann im Auto schlafen. Kaum sitze ich, schlaf ich schon ein. Das ist schön. Dann kann ich mich ausruhen. Und mein Hund ist immer dabei. Den muss ich immer mal wieder auf den Arm nehmen und daran riechen.

Sie sind tierlieb?

Auf jeden Fall. Ich habe schon alles gehabt. Aber ich würde gerne einmal ein Affenbaby auf dem Arm haben.

Das ließe sich bestimmt in der Wilhelma arrangieren, wenn Sie im Oktober auf Tour sind.

Die denken dann, die Milster hat einen Knall und will so ein Affenbaby auf den Arm nehmen. Das arme Affenbaby. Ich habe jetzt die Schirmherrschaft übernommen für ein Altersheim für Hunde in Magdeburg. Wenn die Besitzer sterben, nimmt doch keiner die alten Hunde. Ich mache meine eigene Politik, weil ich keinem glaube. Ich kümmere mich um Kinder, alte Menschen, alles, was hilflos ist.

Welchen Tipp haben Sie Nachwuchskünstlern?

Jeder muss sich selber finden, fleißig sein. Ich würde nie aufhören, zum Lehrer zu gehen und mich überprüfen. Nie glauben, dass wenn man mit der Schule fertig ist, nicht mehr lernen muss.

Wie stehen Sie zu Handyaufnahmen beim Konzert?

Da habe ich mich noch gar nicht darum gekümmert. Ich kann nur nicht leiden, wenn ich geblitzt werde. Gleich am Anfang. Ich muss doch erst mal sehen, wie ist der Raum, wo ist mein Publikum. Wenn dann schon einer kommt, du bist noch ganz nervös, und blitzt, werde ich ganz giftig. Neulich war so ein Fall. Der kam ganz nah an die Bühne. Da habe ich abgebrochen und gesagt: „Hören Sie mal junger Mann, in der Zeit, in der Sie mich jetzt fotografieren, hat mich früher einer in Öl gemalt.“ Handyaufnahmen werden doch immer gemacht. Das machen die trotzdem. Nur Blitzen mag ich nicht. Das können die hinterher machen. Da stelle ich mich auch hin. Ich habe noch nie Schwierigkeiten gehabt.

Die Fragen stellte Edgar Rehberger