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Sigfried Baumann zur Euphorie rund um den VfB-Aufstieg

Es waren die dominanten Farben in der vergangenen Woche: weiß und rot. Die Farben des VfB Stuttgart. Fußball-Stuttgart war aus dem Häuschen ob der Meisterschaft in der 2. Bundesliga und dem damit verbundenen Wiederaufstieg in die 1. Liga. Doch der Nichtfußball-Fan dürfte sich verwundert die Augen gerieben haben. Stadtbahnen mit dem VfB-Logo als Aufkleber, kombiniert mit dem Begriff erstklassig. Die Fahrgäste dürfte es gefreut haben. Und dass der grüne OB Fritz Kuhn in der Nacht von Sonntag auf Montag das Stuttgarter Rathaus in den VfB-Farben leuchten ließ, grenzt nahezu an Selbstverleugnung. Denn als Kuhn seinerzeit als erster grüner OB in das Rathaus einer Landeshauptstadt einzog, kam niemand auf die Idee, das Rathaus in Grün leuchten zu lassen. 5000 Euro hat die nächtliche Beleuchtung gekostet. Berechtigte Frage: Wie viele Stuttgarter haben dies gesehen und sich daran erfreut? Die BW-Post brachte zum Aufstieg eine Briefmarke heraus. Der VfB quasi zum Abschlecken. Die Fellbacher Weingärtner offerierten einen Rosé-Wein unter der Marke „erstklassig“. Sind das die Weine der Fellbacher Wengerter nicht auch ohne den VfB. Und Ritter Sport lieferte - quadratisch, praktisch, gut - eine limitierte Schokoladen-Edition: „Erstklassige Schokolage mit geknackten Nüssen“. Hier hatten sich die Marketing-Experten bei der Namensgebung des Produkts mächtig ins Zeug gelegt. Man gewann den Eindruck, ohne den VfB ging gar nichts. Ausnahmezustand bei dem Gott sei Dank friedlichen Wasen-Wahnsinn. Nur Trainer Wolf benutzte in seiner Fan-Ansprache das Wort Demut, weil er vermutlich schon an diesem Abend weiter dachte über die Euphorie hinaus. Natürlich: Meisterschaft und Aufstieg dürfen gefeiert werden. Das hatten gerade auch die Fans verdient, von denen im Schnitt 50 700 pro Heimspiel ins Stadion gekommen sind, 55 000 an einem kalten November-Sonntag gegen Bielefeld. Das ist wahrlich meisterlich. Und die VfB-Kicker durften sich auf Grund des besonderen Verdienstes auch ins Goldene Buch der Stadt Stuttgart eintragen. Und auch der OB sonnte sich - als Bayern-Fan - im Glanz des Aufstiegs. Doch nüchtern betrachtet war dies alles vielleicht des Guten zuviel. Denn die VfB-Kicker haben mit dem Wiederaufstieg eigentlich nur einen Betriebsunfall aus dem Vorjahr repariert. Bei aller Euphorie des Augenblicks: War es nicht die einfache Pflicht der Mannschaft, die schlechten Leistungen aus der Saison 2015/2016 zurechtzurücken. Dies gelang mit dem sofortigen Wiederaufstieg. Ein Minimalziel, mehr nicht. Jetzt muss der VfB wieder dem Ruf gerecht werden, ein wichtiger Botschafter dieser Region zu sein. Als Absteiger war ihm dieser Ruf abhanden gekommen. Alle sind beseelt vom Aufstieg. Alles ist gut. Nur gilt es aufzupassen, dass eine solche Einstellung nicht wieder der Beginn eines Abwärtstrends ist.