Projektleiter Thomas Heibel vor dem Volksfest-Lageplan. Foto: Edgar Rehberger - Edgar Rehberger

Die Sonne brennt erbarmungslos auf den Cannstatter Wasen. Zwei Mitarbeiter des Steakhauses streichen mit freiem Oberkörper den Boden des Imbissbetriebs.

Bad CannstattDie Sonne brennt erbarmungslos auf den Cannstatter Wasen. Zwei Mitarbeiter des Steakhauses streichen mit freiem Oberkörper den Boden des Imbissbetriebs. Schweißtreibende Arbeit? „Nein, die Sonne ist schweißtreibend, nicht die Arbeit.“ Bei mehr als 30 Grad haben sie den Humor nicht verloren. Dreieinhalb Wochen vor der Eröffnung des 174. Cannstatter Volksfestes sind die Aufbauarbeiten in vollem Gang. Die Fruchtsäule wurde am 1. August auf ihren angestammten Platz auf dem Infopavillon gehievt, bereits im Juli starteten die Arbeiten für die großen Festzelte. Knapp drei Monate dauert es, bis ein großes Festzelt, das zwischen 3500 und 6500 Plätze bietet, betriebsbereit ist. Großküche, Versorgungsleitungen, Büros, Toiletten, Lager – jede Menge Infrastruktur ist für solch einen Großbetrieb nötig.

Etwas einfacher hat es da ein Imbissbetrieb. Vier bis fünf Mitarbeiter sind bei Ralph Benda in den ersten Tagen im Einsatz, um „Benda’s Grill-Stube“ aufzubauen. „Nach dem Schäferlauf in Markgröningen haben wir auf dem Wasen begonnen“, beschreibt Benda, der in 40 Jahren Volksfest ausreichend Erfahrung gesammelt hat. „Es ist aber immer wieder spannend, bis alles steht und funktioniert.“ Schon so manche Überraschung habe er erlebt. Daher werde getestet, „was fertig ist“. In der ersten Woche werden Imbiss und Scheune angegangen. Die Fassaden stehen zügig, diffiziler wird es bei der Infrastruktur. Kabel und Stromversorgung halten auf. Bis allein die Rohre für Dunstabzug und Lüftung zusammengesetzt sind, dauere es. „Unser Ziel ist es, ein Tag vor der Eröffnung komplett fertig zu sein.“ Eine Woche vor Festbeginn werde alles durchgeputzt, dann mit Waren bestückt.

Je näher es zum Volksfeststart – feierlicher Fassanstich durch Oberbürgermeister Fritz Kuhn erfolgt am 27. September um 15 Uhr – geht, desto umtriebiger wird es auch bei Thomas Heibel. Der Platzmeister ist für die Gestaltung des Festplatzes zuständig. Die 320 Betriebe auf dem 68 000 Quadratmeter großen Festgelände so zu platzieren, dass alle Beschicker zufrieden sind, alle Befindlichkeiten berücksichtigt und die Besucher auf ihrem Rundgang einen interessanten Mix vorfinden, ist nahezu aussichtslos. Nicht jeder Standplatz ist so lukrativ, dass großer Umsatz garantiert ist. Daher wurde bei den Imbissbetrieben ein rollierendes System eingeführt. Jedes Jahr wird durchgewechselt.

Für Heibel beginnt das Volksfest mit der öffentlichen Ausschreibung im „Komet“, der Fachzeitschrift der Schausteller, und dem Amtsblatt ein Jahr zuvor. Bewerbungsschluss fürs Volksfest 2020 ist am 15. Oktober 2019. Daher geben viele Schausteller ihre Unterlagen während der laufenden Veranstaltung ab. Dann werden die Daten (Grundriss, Foto, Beschreibung) eingegeben, mit dem Vorjahr verglichen und bewertet, gegebenenfalls Mängel notiert. Es folgt die Bewertung nach Branche anhand vorgegebener Kriterien. Auch das Auswahlverfahren ist genau festgelegt. Es kommt vor, dass nicht zugelassene Schausteller vor Gericht klagen. Daher muss alles abgesichert sein.

Im Februar erhalten die Schaustellerverbände die Bewerberliste. Sie haben aufgrund ihrer Fachkenntnis ein Anhörungsrecht. Ende März werden Zu- und Absagen verschickt, Ende April die Verträge zugesandt. Heibel gestaltet einen ersten Plan im Maßstab 1:500. „Dafür benötige ich zwei Tage und weitere zwei Tage fürs Zeichnen.“ Dies gleicht dem Zusammenstellen eines Puzzles. „Nicht jedes Fahrgeschäft passt überall hin.“ Im April und Mai äußern sich Beschicker per Telefon. „Einer will nicht den Standplatz neben seiner Ex-Frau, ein anderer hat eine Pferdehaarallergie, kann daher nicht neben der Reitbahn platziert werden.“ Häufig geht es um die Wohnwägen. Nicht jeder Beschicker kann seinen Wohnwagen in unmittelbarer Nähe des Standplatzes haben. „Da wird dann wegen der weiten Wege geklagt“, so Heibel. Zum Volksfest-Jubiläum im Vorjahr sei es extrem gewesen. Da war Landwirtschaftliches Hauptfest, das Reitstadion stand nicht zur Verfügung, auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände wurde gebaut – Schausteller mussten ihre Wohnwägen im Stephan-Areal in der Sichelstraße abstellen. Heibel träumt von einem „externen, sauberen Wohnwagenplatz. Das wäre optimal.“

Nach und nach kündigen die Schausteller bei Heibel ihr Kommen zum Aufbau an. Auch da gibt es Vorgaben. Je größer der Betrieb, je früher die Anreise – es sei denn, ein Gastspiel auf einem anderen Festplatz verhindert dies. Das Riesenrad beginnt erst in dieser Woche mit dem Aufbau. Sechs Wochen vor Beginn dürfen die Imbisse aufbauen, drei Wochen vor Start ist „Feuer frei“. Dennoch kann es zu Wartezeiten kommen, bis die Großbetriebe fertig sind. „Die benötigen für Kranwagen Platz zum Rangieren.“ Das Telefon von Heibel steht in dieser Phase nicht mehr still. „Da ist viel zu koordinieren.“ Kurzfristige Absagen wegen Todesfall oder fehlender Mitarbeiter gehen ein, es muss Ersatz aus der Branche besorgt werden, der auf die Fläche passt. „Das bedeutet tägliche Puzzlearbeit und bleibt bis zum letzten Tag spannend.“ Heibel erlebt auch noch nach den vielen Jahren immer wieder Neues. Sorgen bereiten dem Platzmeister der schrumpfende Krämermarkt und die Tendenz weg von großen Fahrgeschäften. „Ich bin gespannt, wie der Festplatz in ein paar Jahren aussieht.“

Unsere Serie

Während der Sommerferien hört das Leben in der Großstadt auf zu pulsieren und versinkt in einen Dornröschen-Schlaf? Weit gefehlt.
In diesen Wochen geht es mitunter erst so richtig los. Für unsere neue Serie begleiten wir einen Tag lang Menschen in ihrem Berufsalltag, blicken hinter die Kulissen verschiedener Einrichtungen und berichten, was dort so alles passiert. Der nächste Teil dreht sich um einen Tag bei der Wasserschutzpolizei.