Den „Landesverband für behinderte und taubstumme Kinder“ sucht man im Internet vergeblich, denn es gibt ihn nicht. Foto: Gökalp Quelle: Unbekannt

(erg) - In den vergangenen Wochen haben Betrüger mit einer dreisten Masche Aufsehen erregt. Sie gehen in den Fußgängerzonen auf Menschen zu und geben vor, taubstumm zu sein und für ein angebliches Behindertenzentrum Spenden und Unterschriften zu sammeln. Oft ist die Polizei machtlos dagegen, denn ihnen eine Straftat nachzuweisen, ist schwer. Meistens bleibt es bei einer Ordnungswidrigkeit wegen aggressivem Betteln.

Die Fußgängerzonen Deutschlands dienen vielen Organisationen und Initiativen als Ort, um ihre Arbeit vorzustellen und Unterstützer zu gewinnen. Seien es Parteien, die Wahlkampf betreiben, oder gemeinnützige Vereine, die Spenden oder Unterschriften für Aktionen sammeln. Jedoch nutzen auch Betrüger die Fußgängerzonen, um Geld zu erbeuten. Aktuell werden in Stuttgarts Stadtbezirken vermehrt Banden der sogenannten „Klemmbrett-Betrüger“ registriert. Sie sind mit einer angeblichen Spendenliste für ein Behindertenzentrum für taubstumme Kinder unterwegs.

Auch in Bad Cannstatt sind sie aktiv worden, beispielsweise in Kursaal-Nähe. Dort haben vor wenigen Wochen drei Personen mit Klemmbrettern an der Stadtbahnhaltestelle Passanten abgefangen. Eine ältere Dame war bereit, einem der angeblich taubstummen Männer eine Spende von fünf Euro zu geben. Ein Passant wurde jedoch aufmerksam und hat rechtzeitig die Polizei alarmiert. Die Bande schöpfte Verdacht und flüchtete mit der U2. Auch in der Innenstadt wenden Betrüger vermehrt diese Masche an.

Auf dem Klemmbrett ist in der Regel eine Liste mit Unterschriften abgebildet und das Symbol einer angeblich gemeinnützigen Organisation namens „Handicap International“. Als Text ist zu lesen: „Der Landesverband für behinderte und taubstumme Kinder, möchten ein Zentrum mit Kontakten auf nationaler und internationaler Ebene eröffnen. Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Unterschrift.“ Um den Anschein zu erwecken, taubstumm zu sein, gestikulierten die Betrüger und zeigen auf den Text.

Auch der Polizei Stuttgart ist die Masche bekannt. „Es ist sehr schwierig, den Personen etwas nachzuweisen“, sagt Sprecher Tobias Tomaszewski. Zum einen sei es kompliziert, festzustellen, dass die Beteiligten tatsächlich das Geld nicht dem gemeinnützigen Zweck zuführen. Zum anderen liege es im Ermessen des Spenders, ob er das Geld gibt und ob er den Personen vertraue. „Einigen ist es egal, wo ihr Geld landet. Sie sehen einfach eine Person, die ihr Mitleid erweckt hat, und spenden.“ Daher bleibe es meist bei einer Ordnungswidrigkeit wegen aggressivem Bettelns.

Wer diesen sogenannten Landesverband im Internet sucht, findet nur deutschlandweite Polizeimeldungen, in denen von einer Klemmbrett-Betrugsmasche die Rede ist. Laut einer Meldung der Polizei Berlin werden teilweise die Klemmbretter sogar dazu genutzt, um die Passanten abzulenken und ihnen dann Geld oder Handys zu stehlen. Auch Betroffene schildern, wie sie den Personen geglaubt haben, behindert zu sein, und bei der anschließenden Recherche festgestellt haben, dass ihr Geld wohl bei Betrügern gelandet ist.

Anzeigen wegen betrügerischen Sammelns gab es wenige in Stuttgart. „Zwischen 2012 und 2016 sind zwischen 12 und 39 Anzeigen pro Jahr bei der Polizei eingegangen“, so Tomaszewski. Für Passanten gilt es daher, aufmerksam zu sein. „Ich empfehle, nur an Organisationen zu spenden, die bekannt sind.“ Ebenfalls empfiehlt es sich, von den angeblichen Spendensammlern Ausweise zeigen zu lassen.