Der „Inselgrün“-Garten muss als erstes dem neuen Areal weichen Foto: Jakob Henke - Jakob Henke

Die Pläne für das Güterbahnhof-Areal könnten das Ende der dort ansässigen Subkultur bedeuten.

Bad Cannstatt Im Jahr 2000 hatte die Stadt Stuttgart beschlossen, sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 zu bewerben. Dafür sollte rund um die Mercedes-Benz-Arena eine sogenannte Olympia-Meile entstehen. Um diese Vision wahr werden zu lassen, erwarb man von der Deutschen Bahn das Gelände des alten Cannstatter Güterbahnhofs. Der Traum von Olympia ist bekanntlich geplatzt – und die Pläne wurden geändert: Ein neues Stadtviertel soll entstehen, erste Pläne für das Projekt Neckarpark lagen 2008 vor. Dann passierte erst einmal eine Weile nichts.

In der Zwischenzeit siedelte sich im alten Zollamt auf dem Gelände zuerst ein Techno-Club und jetzt die Kulturinsel, ein facettenreicher Veranstaltungsort mit Biergarten, Parties, Workshops und vielem mehr, an. Dessen Veranstaltungen und Aktionen, wie beispielsweise der urbane „Inselgrün“- Garten, erfreuen sich großer Beliebtheit. Dennoch kämpft die Kulturinsel ums Überleben. Denn nun sollen die Neckarpark-Pläne umgesetzt werden – ob mit oder ohne Kulturinsel ist offen. Bei einer Informationsveranstaltung im November vergangenen Jahres diskutierten Anwohner, Mitarbeiter der Kulturinsel und Vertreter der Stadt zwar über das neue Stadtquartier. Doch der Fortbestand der Kulturinsel ist bis heute ungewiss.

Max Josenhans ist seit 2017 im Team der Kulturinsel dabei, veranstaltet die Techno-Party-Reihe „Jangala“. Deren letzte Veranstaltung am 28. September wurde von der Polizei abgebrochen. Der Grund: Es gibt keine Außenbeschallungsgenehmigung. Die Kulturinsel darf eigentlich nicht im Außenbereich laute Musik spielen. Doch genau das kommt gut beim Publikum an: Bei jener Party etwa waren 300 Gäste unterschiedlichen Alters anwesend. „Es gab an diesem Abend aber keine Anwohnerbeschwerden“, betont Geschäftsführer Joachim Petzold. „Da sind wir auf einem guten Weg.“

Generell sei die Kommunikation mit den Anwohnern sehr wichtig für die Kulturinsel, berichtet Josenhans. „Vor jeder Veranstaltung haben wir Zettel an die Häuser gehängt und die Leute vorgewarnt.“ Auch Regine Herdecker von der Bürgerinitiative Veielbrunnen ist der Auffassung, dass das Miteinander viel besser geworden ist. Trotzdem: „Es gibt Sachen, die wir an der Kulturinsel toll finden und Sachen, die nicht zumutbar sind. In erster Linie wollen die Anwohner nicht belästigt werden.“

Für Joachim Petzold liegt das Problem woanders: „Meiner Meinung nach haben wir vor allem ein formelles Problem mit der Stadtverwaltung“, sagt er. „Wir haben eine Konzession für den Biergarten und den Club-Betrieb. Was uns fehlt, ist eine Außenbeschallungsgenehmigung.“ Doch die will das Ordnungsamt nicht vergeben, weil die Zukunft der Kulturinsel an diesem Standort unklar ist. Und das wiederum liegt an den Plänen für die Neuordnung des Güterbahnhof-Areals. In denen teilt sich die Kulturinsel nämlich das Gebäude des alten Zollamts mit dem neuen Stadtteilzentrum, das den Anwohnern ganz wichtig ist, wie Regine Herdecker betont. Ob und wie das in Zukunft funktionieren soll, ist allen Beteiligten noch nicht ganz klar.

Martin Holch von der Stadtplanung pocht auf jeden Fall auf einen Erhalt der Kulturinsel: „Wir brauchen sie als zentralen Ort für das Gemeinwesen.“ Holch gibt sich optimistisch, er will das „Pflänzlein pflegen“, räumt aber auch ein, dass sich die Kulturinsel mit ihrem Programm anpassen müsse.

Zudem ist auch noch nicht gelöst, wie die Kulturinsel infrastrukturell in das neue Viertel integriert werden soll. Ein Beispiel dafür ist das Thema Parken: Zwar sollen weiterhin Veranstaltungen mit bis zu 300 Personen stattfinden können, wo diese jedoch parken sollen, dafür gibt es noch keine ausgereifte Lösung. Bei allem Zuspruch betont auch Holch: „Man kann die Bestimmungen nicht umgehen.“ Das Thema Lautstärke ist hierbei der größte Problemfaktor: Durch Wasen und Stadion gibt es in diesem Gebiet ohnehin schon eine große Lärmbelastung. Mehr sei den Anwohnern nicht zumutbar. „Und Wasen und Stadion waren zuerst da.“

Das sieht auch Regine Herdecker so: „Die Kulturinsel ist nur mit 50 Prozent ihres jetzigen Programms für das neue Areal geeignet.“ Sie empfindet allerdings auch „eine Diskrepanz zwischen den Aussagen und Planungen der Stadt.“ Die betone zwar immer, dass die Kulturinsel Teil des Viertels werden soll, gleichzeitig lehnt sie aber überlebenswichtige Förderungen ab. Für Herdecker hat die Kulturinsel keine Zukunft. „Irgendwann wird es sie hier nicht mehr geben.“

Das Aus würde nicht nur das Ende einer Institution bedeuten, sondern auch die Jobs vieler Mitarbeiter gefährden. Darum sorgt sich Max Josenhans: „Die Leute stecken hier ihr Herzblut hinein. Aber wenn die Förderung nicht mehr da ist, dann müssen wir vielleicht aufgeben.“ Joachim Petzold gibt sich jedoch kämpferisch: „Ich werde hier weitermachen, bis man es mir verbietet.“