Eltern, Kinder sowie Lehrer und Vereinsverantwortliche kämpfen für den Erhalt des Stadtbads in der Hofener Straße. Beim Bürgerhaushalt landete das Thema auf Platz 7. Ob es reicht, werden die Haushaltsberatungen im Spätherbst zeigen. Foto: Uli Nagel - Uli Nagel

Die Top Ten der Bürgerwünsche für die anstehenden Haushaltsberatungen stehen fest. Verein Haus und Grund hält Verfahren für zu teuer.

Bad Cannstatt Die Würfel sind gefallen und die Top Ten der Bürgerwünsche für die anstehenden Haushaltsberatungen stehen fest. „Auch beim fünften Bürgerhaushalt haben sich die Stuttgarter wieder ausgiebig an den Planungen für die Verwendung der städtischen Finanzmittel beteiligt“, zieht der zuständige Bürgermeister für Wirtschaft, Finanzen und Beteiligung, Thomas Fuhrmann, positive Bilanz. „Dieses Engagement macht unseren Bürgerhaushalt zu einem der erfolgreichsten in ganz Deutschland“, so Fuhrmann. Die Bürger wissen als „Experten vor Ort“’ oft genau, wo der Schuh drückt. „Ich bin mir sicher, dass unsere Stadt von den eingereichten Vorschlägen profitieren und der Gemeinderat viele Themen in den Haushaltsberatungen aufgreifen wird.“

Diese Begeisterung können die Verantwortlichen des Vereins Haus und Grund Stuttgart nicht teilen. „Bei genauerer Betrachtung wird dieser Bürgerhaushalt als teure Mogelpackung erkennbar“, sagt Klaus Lang. Seiner Meinung nach werde Basisdemokratie nur vorgetäuscht, tatsächlich handle es sich nicht um repräsentative Willensbekundungen der Bürgerschaft. Der hohe Prozentsatz der Beteiligung über das Internetportal (97 Prozent) sei ein Indiz dafür, „dass der ältere, weniger Internet-affine Bevölkerungsteil gegenüber den Jüngeren deutlich unterrepräsentiert ist“, so Lang. Hinzu komme, dass hyperaktive Bevölkerungsteile, sogenannte Berufsbürger, die genau wissen, wie man Fördergelder abgreift, häufig Eigeninteressen und nicht das Gemeinwohl verfolgen. Das heißt: „Die Ergebnisse des Bürgerhaushalts sollen den Eindruck erwecken, dies sei der allgemeine Bürgerwille, tatsächlich weisen sie jedoch keinerlei Repräsentativität auf“, betont Lang.

Im übrigen sei erneut sichtbar geworden, „dass diejenigen, die am lautesten schreien, und sich wirkungsvoll in Szene setzen, es am weitesten nach vorne schaffen“, so der Vorsitzende. Wer vor Ort geschickt genug sei, hinter sich Organisationen oder Vereine zu sammeln, der lande auch oben: „Der Bürgerhaushalt stimuliert Partikularinteressen, auch wenn jetzt erstmals vermehrt gesamtstädtisch wichtige Themen aufgetaucht sind.“ Exemplarisch sichtbar sei dies an den vier ersten Plätzen: „Und geradezu absurd ist es, dass mit der Forderung nach einer surfbaren Neckarwelle ein Spaßprojekt auf den Spitzenplatz gestürmt ist. Und dies, obwohl dem Projekt während der Beteiligungsphase aus Sicherheitsgründen eine Absage erteilt werden musste.“

Zu den Absurditäten des aktuellen Bürgerhaushaltes zählt Ulrich Wecker, der Geschäftsführer von Haus und Grund Stuttgart, auch, „dass es eine Initiative zur Verhinderung von Bauen auf den zweiten Platz geschafft hat“. Bei der Initiative zur Bernsteinwiese in Heumaden gehe es zwar um einen Schulneubau. „Doch hier zeigt sich der Abwehrreflex gegen jegliches Bauen auf der Grünen Wiese“, sagt Wecker. So spiegle der Bürgerhaushalt nicht einmal ansatzweise wider, was auch in sozialer Hinsicht das drängendste kommunalpolitische Problem unserer Zeit sei: die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten. „Dort, wo es in der Landeshauptstadt wirklich brennt, da liefert dieser Bürgerhaushalt rein gar nichts“, so Wecker.

Was ärgerlich ist: Kosten und Ertrag stehen hinsichtlich eines Erkenntnisgewinns in einem auffälligen Missverhältnis. Allein das Bereitstellen der Onlineplattform sowie die Öffentlichkeitsarbeit schlagen mit 160 000 Euro zu Buche. Noch viel stärker ins Gewicht falle der hohe Verwaltungsaufwand. „Weil alle 130 Vorschläge eine Stellungnahme der Fachämter bekommen, scheint zeitweilig der halbe Apparat durch den Bürgerhaushalt in Beschlag genommen“, so Klaus Lang. „Vielleicht sollte man dem Beispiel von Frankfurt folgen, das sich schon länger von diesem untauglichen Instrument verabschiedet hat“.