Manfred Schmid (links) und Olaf Schulze im Stadtmuseum haben eine sehenswerte Ausstellung zusammengetragen. Foto: Rehberger Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

Ursprünglich gingen die Ausstellungsmacher von 30 Frauenbiografien aus. Jetzt sind es 66 äußerst interessante Lebenswege von Frauen, die in Cannstatt geboren oder begraben wurden oder hier gelebt und gewirkt haben, geworden. Zuviel, um alle von heute an im Stadtmuseum Bad Cannstatt zu präsentieren. Daher sind auch die Stadtteilbücherei in der Überkinger Straße (ab 18. Januar) und die Galerie Wiedmann in der Tuchmachergasse (ab 25. Januar) mit einbezogen. Die Ausstellung mit dem Titel „S‘isch reacht gwäe - Cannstatter Frauengeschichte(n) aus fünf Jahrhunderten: Arbeitswelten, Emanzipation, Politik und Religion“ endet gemeinsam am 15. April. Zum internationalen Frauentag am 8. März sind besondere Aktionen geplant und auch an der Langen Nacht der Museen ist die Ausstellung beteiligt.

Sie waren Fabrikarbeiterin, Ehrenbürgerin, Schriftstellerin, Schauspielerin, Regisseurin, Theologin, Frauenrechtlerin, Lehrerin, Ehefrau, Mutter, Begine, Posthalterin, Kindsmörderin, Mordopfer, Politikerin und vieles mehr - mit den unterschiedlichsten Biografien. Manche sind unbekannt, andere wiederum haben über Cannstatt hinaus ihre Spuren hinterlassen, wie zum Beispiel Lenore Volz, eine der ersten evangelischen Pfarrerinnen Württembergs, Jette Koch, die Mutter von Albert Einstein, Liselotte Bühler, die engagierte SPD-Politikerin im Gemeinderat und im Landtag oder Henriette Heine, die erste Ehrenbürgerin Cannstatts.

Der titelgebende Spruch, das schwäbische Lob, der Ausstellung stammt von einem überraschten Kirchenpfleger aus Schmiden, das damals zu Cannstatt gehörte, nachdem Lenore Volz die Kanzel nach einer Predigt verlassen hatte und der Gottesdienst beendet war. Mitten im Zweiten Weltkrieg war „Fräulein Volz“, voll ausgebildete Theologin, aufgrund der Richtlinien nur als Pfarrgehilfin im Dekanat Bad Cannstatt angestellt. Aufgrund des kriegsbedingten Personalmangels durfte sie Gemeinde vertretungsweise übernehmen. Bis in die 60er Jahre bemühte sich die Nachfahrin des Reformators Johannes Brenz, die Landeskirche davon zu überzeugen, auch Frauen für das Pfarramt zuzulassen. 1968 endlich war es soweit.

Solche und ähnliche Geschichten bietet die Ausstellung, die den Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart spannt und dabei exemplarisch Frauenbiografien aus unterschiedlichen Schichten beleuchtet. „Das Thema hat es in der Form in Bad Cannstatt noch nicht gegeben“, sagt Historiker Olaf Schulze, der zusammen mit Manfred Schmid vom Planungsstab Stadtmuseum im Kulturamt die Ausstellung konzipierte. Die Recherche war aufwändig. Claudia Weinschenk, Helga Müller und Christiane Weinschenk waren stark mit eingebunden. 43 Patinnen und Paten wurden gefunden, die über eine Spende die Arbeit der Ausstellungsmacher unterstützten. „Das Geld floss in das Projekt.“ Die Namen der Patinnen und Paten sind den Tafeln der Biografien sichtbar.

Die Teilausstellung in der Stadtteilbücherei in der Überkinger Straße wird den „Frauen der Feder und des Wortes“, den Schriftstellerinnen und Schauspielerinnen, gewidmet sein, die Ausstellung in der Galerie Wiedmann den Künstlerinnen der Bereiche Bildhauerei, Malerei und Design.

Das Stadtmuseum Bad Cannstatt in der Marktstraße 71/1ist geöffnet mittwochs von 14 bis 16 Uhr, samstags 14 bis 17 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Informationen unter www.stadtmuseum-badcannstatt.de. Heute um 15 Uhr findet die erste Führung von Olaf Schulze statt.