FDP-Chef Christian Lindner äußerst sich zum Aus der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition. Die FDP hatte den Verhandlungstisch in der Nacht auf Montag verlassen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

(ale/mk/ede) - Die Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grüne sind gescheitert. Mehr denn je stellt sich die Frage, wie eine neue Bundesregierung aussehen könnte. Nach dem Scheitern der Verhandlungen der Jamaika-Koalition herrscht an der Parteibasis in Stuttgart über eines Einigkeit: Nur keine Neuwahlen.

Ganz rational betrachtet SPD-Stadtrat Martin Körner das Aus für eine Jamaika-Regierung und denkt bereits an Vorteile für Stuttgart. „Als Kommunalpolitiker ist man immer froh, wenn aus der eigenen Partei die Kollegen etwas zu sagen haben.“ Durch das Scheitern sei eine neue Situation entstanden und daher müsse die SPD-Spitze genau überlegen, ob sie in Gespräche mit der CDU einsteigen wolle oder nicht. Allerdings überwiegt auch beim SPD-Fraktionsvorsitzenden die Skepsis: „Die Vermutung liegt nahe, dass es Neuwahlen gibt“. Das wäre für seinen Obertürkheimer Parteigenossen Michael Jantzer ein Graus: „Ich habe überhaupt keine Lust, erneut einen anstrengenden Wahlkampf zu führen“, sagt der Bezirksbeirat und Bundestagskandidat. Enttäuscht, ja erbost ist er über die FDP: „Nach Niedersachsen wollen sie die SPD auch bundesweit mit ihrer sturen Haltung in die große Koalition zwingen, anstatt dem Auftrag in die Regierungsverantwortung zu gehen, nachzukommen“.

Gar erschüttert vom Scheitern der Sondierungsgespräche zeigt sich der Wangener Stadtrat Vittorio Lazaridis (Grüne). „Ich hatte mit der Aufnahme der Koalitionsverhandlungen gerechnet. Jetzt wird‘s schwierig.“ An Neuwahlen glaubt er angesichts des schwierigen parlamentarischen Wegs nicht. „Das Parlament müsste sich verbiegen. Wir sind in einer Sackgasse, die Ratlosigkeit ist groß. Ich denke aber, es wird sich noch eine andere Konstellation ergeben.“

Darauf setzt auch Hans Eisele (CDU). „Vielleicht denken die Politiker noch einmal in aller Ruhe und ohne Druck nach“, hofft der Hedelfinger Lokalpolitiker. Nicht hilfreich seien die Störfeuer einzelner Politiker gewesen. Aber auch von der Reaktion der SPD zeigt sich Eisele enttäuscht. „Bei Neuwahlen geht es in die falsche Richtung.“ Die Wahlmüdigkeit und Parteienverdrossenheit würde steigen.

„Davon würde nur die AfD profitieren“, ist der Untertürkheimer FDP-Politiker Michael Marquardt überzeugt. Daher glaubt er nicht an Neuwahlen. Mit der schmerzlichen Entscheidung seiner Partei hat er indes gerechnet: „Es wurden zu wenige Punkte aus dem FDP-Parteiprogramm umgesetzt und die Grünen sowie die FDP sind eben eine Programmpartei, die ihre den Wählern versprochenen Ziele nicht einfach über Bord werfen können.“ Marquardt kann sich vielmehr eine schwarz-grüne Minderheitenregierung vorstellen.

Generell seien die vier Parteien einfach zu unterschiedlich. „Eine Jamaika-Koalition hätte nicht lange Bestand gehabt“, ist Eberhard Schweizer (Grüne) nicht enttäuscht. Die vielen Kompromisse seiner Partei, hätten die Mitglieder auf der am Wochenende angesetzten Versammlung vermutlich nicht mitgetragen und so die Koalitionsverhandlungen platzen lassen. Peter Mielert, Sprecher der grünen Bezirksbeiratsfraktion in Bad Cannstatt ist enttäuscht, dass es nicht zu einer Einigung gekommen ist. „Ich frage mich, was die FDP reitet.“ Sie sei ziemlich arrogant und überheblich gegenüber den Sorgen, die die Menschen täglich umtreiben.“ Man solle eine Minderheitsregierung wagen.

Enttäuschung macht sich auch bei der CDU breit. „Es ist schade, dass es so ausgegangen ist“, sagt die Cannstatter Stadträtin Beate Bulle-Schmid. Aber sie hat schon vermutet, dass dies nicht zusammenpasst. „Es war ja auch nicht der Wählerauftrag.“ Sie weiß nicht, ob Neuwahlen was bringen. „Da wird wohl nicht groß anderes dabei rauskommen.“ Die SPD solle sich bewegen. „Es geht um die beste Lösung für unser Land.“ René Hildebrandt, Sprecher der CDU im Bezirksbeirat Münster, versteht nicht, dass es so lange gedauert hat. „Da wurde vier Wochen lang rumgemacht und dann ist einfach Schluss.“ Ob dies nun gut oder schlecht sei, vermag er nicht zu beurteilen. „Ich kenne die Inhalte der Gespräche nicht.“ Neuwahlen wären nicht gut für Deutschland und Europa.

Armin Serwani, der Kreisvorsitzende der FDP Stuttgart, war total überrascht. „Ich habe am Samstag noch mit dem parlamentarischen Geschäftsführer gesprochen, bevor dieser nach Berlin gereist ist. Er war sehr optimistisch.“ Aber für Serwani ist klar, dass sich die FDP nicht noch mehr verbiegen müsse. „Auch wir haben wie die Grünen Zugeständnisse gemacht.“ Dennoch habe es mehr 100 strittige Punkte gegeben. „Es war kein Vertrauen mehr da.“ Die FDP sei eben jetzt der Buhmann.