Die Altenburg Galaxy hat eine eigene Währung: Batzen. Foto: Edgar Rehberger - Edgar Rehberger

Eine Woche verwandelt sich die Altenburgschule in eine Stadt. Dem Demokratieprojekt, das ein Jahr vorbereitet wurde, drohte nach einem Tag das Aus, konnte aber fortgesetzt werden.

Bad CannstattFünf Tage lang verwandelt sich die Altenburgschule in eine Stadt. Mit allem, was dazu gehört. Die 700 Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 10 sollen simulativ im Demokratieprojekt das Leben als Bürgerinnen und Bürger mit Rechten und Pflichten kennenlernen. Ein ganzes Schuljahr wurde daran gearbeitet, ein Organisationsteam bereitete die Stadt und die Schülerschaft vor.

Die Idee fürs Projekt „Schule als Stadt“ kam von zwei Schülern. „Sie waren auf einer Fortbildung beim Landesschülerbeirat und schlugen es dann vor“, berichtet Sina Chaher vom Organisationsteam. Gesamtlehrerkonferenz und Schulkonferenz stimmten einmütig zu, das Orga-Team nahm die Arbeit auf. „Es hat sich eine unheimliche Dynamik entwickelt, alle zogen mit.“ Ein großer Aufwand wurde betrieben, Vollversammlungen einberufen, ein Erklärvideo erstellt. Jobs mussten gesucht, Firmen gegründet, eine Währung (Batzen) gefunden, eine Verfassung erarbeitet werden, Gemeinderat (bestehend aus zwei Lehrern und sechs Schüler aller Jahrgangsstufen) und Bürgermeisterin (Aurelia I.) wurden gewählt. „Das ist im normalen Gemeinschaftskundeunterricht gar nicht darstellbar.“ Bei den Schülern habe sich dabei sehr viel getan.

In der Altenburg Galaxy, der Name der Stadt wurde mehrheitlich getroffen, gibt es so gut wie alles. Sport- und Wellness-Angebote, ein Freibad, ein Beauty-Salon, Disco, Casino, Kino, Arbeitsamt, Bank, Krankenhaus, Anwaltsbüro, eine Detektei, Polizei, Müllabfuhr, ein Gericht. Denn wie im wahren Leben, gibt es auch in der Altenburg Galaxy Verbrechen. Zwei Bürger, die sich im Copy-Shop anstellen ließen, fälschten Geldscheine, wurden erwischt und vor Gericht gestellt. Die Richter (zwei Siebtklässler) verurteilten die Täter zu einem Tag gemeinnütziger Arbeit, das gefälschte Geld wurde vernichtet.

Selenay Ün hat sich für die Polizei entschieden. „So kann ich in die Arbeitswelt reinschnuppern“, sagt die Neuntklässlerin. „Ich mag meinen Job.“ Sie ist erstaunt, was so ein Polizeioutfit bewirkt. „Ich werde immer gegrüßt.“ Selenay ist auch in den Gemeinderat gewählt worden, der morgens täglich eine Stunde tagt. Da wurde auch das bedingungslose Grundeinkommen für jeden beschlossen. „Das konnten wir aber nicht realisieren, weil uns ein Tag Steuereinnahmen fehlen“, erzählt Matthias Albath, einer der Lehrer im Gemeinderat.

Denn wie im richtigen Leben tauchte am ersten Tag des Schulprojektes am Montag ein Lebensmittelkontrolleur vom Amt für öffentliche Ordnung auf und untersagte den gastronomischen Betrieben die Arbeit. Hygienebestimmungen seien einzuhalten, Inhaltsstoffe in Lebensmitteln müssten für Allergiker erkennbar sein. 43 Betriebe mit kulinarischem Angebot wurden geschlossen, 160 der 700 Schüler verloren ihren Job. So viele Arbeitslose konnte auch das Arbeitsamt auf die Schnelle nicht vermitteln. Die Stadt musste geschlossen werden.

„Die Schüler konnten gar nicht in ihre Rolle reinwachsen“, schildert Schulleiterin Katrin Steinhülb-Joos, die jegliche Hilfestellung und Beratung vermisste. Alexander Böhle, der Elternbeiratsvorsitzende, schüttelt den Kopf. Dies sei eine große Einschränkung gewesen „Der schulinternen Veranstaltung wurden die gleichen Maßstäbe angelegt wie einem professionellen Betrieb. Da kann doch kein Schulfest oder sonstige Veranstaltung mehr durchgeführt werden.“

Nach der Schließung wurde intern Vollgas gegeben, alles daran gesetzt, die Auflagen zu erfüllen. Eltern kamen zu Hilfe. Alle Betriebe wurden geschult, die Mängelliste abgearbeitet. Beim Kontrollbesuch des städtischen Mitarbeiters am Dienstag wurde nichts mehr beanstandet. Bürgermeisterin Aurelia I. sorgte persönlich dafür, dass alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt darüber informiert wurden. „Der Jubel war unendlich groß“, so die Rektorin voller Stolz auf ihre Schule. „Was da bewältigt wurde, ist einfach nur großartig.“ Noch bis Freitag pulsiert in der Altenburg Galaxy das wahre Leben, wächst die Schulgemeinschaft noch enger zusammen.