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Eingeschlagene Scheiben, Scherben auf dem Boden, Graffiti an der Wand. Zweifelsohne, die Bettfedernfabrik, die seit 2002 geschlossen ist, hat ihre besten Zeiten hinter sich. Die Stadt will die Umwandlung des Areals vorantreiben.

Bad CannstattEingeschlagene Scheiben, Scherben auf dem Boden, Graffiti an der Wand. Zweifelsohne, die Bettfedernfabrik, die seit 2002 geschlossen ist, hat ihre besten Zeiten hinter sich. Die meisten Räume sind leer, in einigen Stapeln sich noch Kartons sowie alte Tische und Rollcontainer, auch die letzten Feuerlöscher sind geleert. Viel zu entdecken gibt es in den Räumen der ehemaligen Traditionsfirma nicht mehr. Und dennoch zieht die zwölf Hektar große Industriebrache an der Hofener Straße immer wieder Jugendliche an. Eine Nachbarin aus dem Zuckerleweg hat selbst auf dem Dach des leerstehenden Gebäudes schon ganz Wagemutige gesehen. „Ein gefährlicher Abenteuerspielplatz“, so die Rentnerin. „Wenn etwas passiert, kriegt es doch kein Mensch mit.“

Fast jedes Wochenende könne sie von ihrer Terrasse aus Personen beobachten, die sich auf dem Grundstück oder in den Gebäuden aufhalten. Eigentlich rufe sie mittlerweile nicht mehr die Polizei. „Es nutzt ja eh nichts.“ An Ostern habe sie dann aber doch zuletzt zum Hörer greifen müssen. Als sie am Nachmittag auf ihrer Terrasse saß, konnte sie kaum glauben, was sie sah: Rund 40 Personen stiegen am Karfreitag mithilfe einer mitgebrachten Leiter über das zugekettete Eingangstor und betraten wenig später die Bettfedernfabrik.

Jedoch nicht, um neue Graffiti aufzutragen, sondern „um einen Werbespot für ein kleines Modelabel zu drehen“, klärt Polizeisprecher Jens Lauer auf. Genehmigt sei der Filmdreh nicht gewesen. Deswegen hätten drei Streifen, die gegen 16.30 Uhr vor Ort waren, dem Treiben wenig später ein Ende gesetzt. Für die Anwohnerin ist solch ein Verhalten „eine bodenlose Frechheit“. Die jungen Leute seien ja grundsätzlich friedlich. „Aber sie haben wohl kein Unrechtsbewusstsein.“

Mit einer Strafe müssen sie jedoch eher nicht rechnen. „Hausfriedensbruch ist ein reines Antragsdelikt. Sprich, die Polizei kann den Vorfall nicht anzeigen, sondern nur der Eigentümer“, so Lauer. Der Bauherr, die Pro Contact Hofener Straße GmbH & Co. KG, ist nicht erfreut, dass das Grundstück illegal betreten wurde. Auch eine Drehgenehmigung hätte er nicht erteilt. Dennoch sieht das Unternehmen von einer Anzeige ab, teilt es in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Wenig verwunderlich, ein Schaden ist in der ehemaligen Bettfedernfabrik nicht entstanden. Ein Verfahren würde wohl eingestellt werden.

Man wird wohl auch weiterhin nicht verhindern können, dass jemand auf das Grundstück klettert. Die beste Lösung, damit sich künftig niemand mehr in der Ruine rumtreibt, ist aus Sicht der Nachbarin zweifelsohne der Abriss. Der Bauherr teilt diese Einschätzung, er würde lieber gestern als heute damit anfangen. „Es hängt jedoch nicht an uns.“ Doch woran liegt es dann eigentlich, dass auf dem Areal seit 16 Jahren nichts passiert ist? Zum einen ist der lange Zeitraum mit schwierigen Grundstücksverhandlungen begründet. Darüber hinaus lag vor vielen Jahren schon einmal ein Wettbewerbsergebnis vor, die Pläne wurden jedoch von einem Besitzerwechsel durchkreuzt, das Esslinger Unternehmen Artikular Architekten ist jetzt für die Planung verantwortlich. Einen neuen Anlauf hat die Stadt zuletzt im Oktober 2016 genommen. Damals wurde im Bezirksbeirat Bad Cannstatt ein Entwurf vorgestellt, das gesamte Quartier neu zu entwickeln. Weil zwei Eigentümer jedoch nicht mitspielten, mussten die Pläne von rund 130 auf 90 Wohnungen abgespeckt werden. Jetzt wird eben nur ein Teilbereich entwickelt.

„Wenn eine gewerbliche Fläche in Wohn- oder Mischfläche geändert werden soll, ist die Änderung des Planungsrechtes erforderlich. Das ist immer ein längerer Prozess“, betont Angela Weiskopf vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, die für die Stadtbezirke Mühlhausen, Münster und Bad Cannstatt zuständig ist. Wie wirkt sich Wohnungsbau auf dem Areal städtebaulich aus? Gibt es genügend Freiflächen? Wird eine Frischluftschneise verbaut? Wie ist die Lärmentwicklung? Fragen, die beantwortet werden müssen, um neues Planungsrecht zu schaffen.

Am Dienstag, 24. April, setzt sich der städtische Gestaltungsbeirat mit dem Thema auseinander. Gegen 15.30 Uhr werden die Ideen im evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof, Büchsenstraße 33, öffentlich vorgestellt und mit verschiedenen Experten wie Professoren und Architekten diskutiert. „Der nächste Schritt ist dann der Auslegungsbeschluss, den wir aktiv vorbereiten“, sagt Weiskopf, die betont, dass das Projekt mit hoher Priorität behandelt werde. Nicken die Stadträte den Beschluss im Umwelt- und Technikausschuss ab, werden die Pläne einen Monat lang öffentlich ausgelegt. „Jedermann kann dann Bedenken äußern, die wir prüfen müssen.“