1955 traten auch Häberle und Pfleiderer beim Fischerstechen gegeneinander an. Foto: aus „Cannstatt und sein Volksfest“, Heugel und Vogel KG Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

Bad Cannstatt - Das Fischerstechen der Neuzeit wurde zwar erst 1983 durch den Kübelesmarkt wieder zu dauerhaftem Leben erweckt. Die Historie reicht aber weit zurück - bis ins Jahr 1717. Da fand das erste Fischerstechen auf dem Neckar statt, damals hieß es noch „Schifferstechen“. Die Zunft der Fischer und Schiffer hatte im damaligen Cannstatt Tradition. Wie oft das Stechen in der Folgezeit stattgefunden hat, ist nicht bekannt. Überliefert ist lediglich, dass es wegen der Verschmutzung des Neckars immer wieder ausfallen musste. Fischerstechen haben in vielen Orten Tradition, etwa in Ulm oder Straßburg, wo es als Wettkampfsport durchgeführt wird. Ursprünglich diente es dazu, dass die Binnenschiffer Zeugnis ihrer Kunst ablegen konnten.

1818 verfügte König Wilhelm I. für das erste Cannstatter Volksfest: „Den zur jährlichen Abhaltung ihres Zunfttages im Kannstadt versammelten Schiffern wird Gelegenheit gegeben, durch ein Schifferstechen Proben ihrer Kunst und Geschicklichkeit öffentlich zu zeigen.“ Das Fischerstechen erlebte eine glanzvolle Wiederauferstehung. König Wilhelm I. stiftete dafür sogar Preise. 12 Dukaten nebst Medaille für Platz 1, 8 Dukaten und Medaille für Platz 2. Für die folgenden vier Plätze gab es Medaillen. Er hoffte, damit die Wasserstraße Neckar wieder intensiv zu beleben. Wochenlang probten die Fischer und Schiffer. Zwölf Teilnehmer kämpften auf schwankenden Kähnen. Das Fischerstechen fand direkt im Anschluss an die Eröffnung des Landwirtschaftlichen Festes vor der Wilhelma in Anwesenheit des württembergischen Königshofes und seiner illustren Gäste statt. Schon ein Jahr später klagten die Teilnehmer über gesundheitliche Probleme. Das Fischerstechen fand ein Ende - bis 1883. Da wurde es wiederbelebt. Der TV Cannstatt organisierte Wettkämpfe. Aber das sorgte nicht für ein dauerhaftes Überleben.

1924, zum ersten Volksfest nach dem Ersten Weltkrieg, wurde die Tradition wieder mit Leben gefüllt. Als 1927 bereits die Teilnehmer präsentiert wurden, sorgte ein Wolkenbruch für das abrupte Ende. Der Neckar war noch nicht kanalisiert und stieg bei Regen heftig an. Auch heute sorgt Regen für ein ersatzloses Aus der Veranstaltung. 1934 und 1935 gab es erneut Fischerstechen. Denn 1933 war Cannstatt der Titel „Bad“ verliehen worden.

1950 starteten die Kübler mit dem SV Cannstatt den Versuch, das Fischerstechen wiederzubeleben. Es fand wieder zum Volksfest statt und entwickelte sich zum Publikumsmagneten. Die Polizei musste einschreiten und äußerte Sicherheitsbedenken. Mehr als 10 000 Zuschauer drängten sich am Neckarufer. Es fand zwischen König-Karls-Brücke und Berger Steg statt. Letztlich bereitete die Wasserqualität 1956 dem Fischerstechen ein Ende. Die Gesundheitsbehörde untersagte das bunte Treiben am und auf dem Neckar. 1955 gab es erstmals auch ein Kübelesrennen, bei dem Teilnehmern im Holzkübel sitzend mit den Händen paddelnd den Neckar queren mussten.

Hartnäckig wie die Kübler nun mal sind, wurde 1983 ein neuer Versuch gewagt. Seitdem wird das Fischerstechen alle zwei Jahre durchgeführt. Es fand am 29. Juni 1983 an alter Stelle statt. Das Gedränge auf dem Neckardamm war jedoch so groß, fast lebensgefährlich, dass es an den Platz am Mühlgrün verlegt wurde - dort im Mühlkanal befand sich auch der Hafen. Das Fischerstechen war lange Zeit Männerdömane. Männer präsentierten sich in Frauenkleidern. 1993, zur Internationalen Gartenschau, nahm erstmals eine Frau teil. Sie trat als IGA-Eule, dem Maskottchen der Internationalen Gartenbauausstellung, an.

Seit 2009 wird zum Fischerstechen ein Drachenbootrennen ausgetragen. Die Kanugesellschaft Stuttgart suchte einen Rahmen für ihr Rennen. In diesem Jahr wird es zum vierten Mal ausgetragen. 14 bis 16 Paddler, Steuermann und Trommler sitzen beim Kübler-Cup im Drachenboot. Bis zu vier Boote treten gegeneinander an. Zu 300 Jahre Fischerstechen gibt es eine Festschrift, die am Sonntag für ein Euro erworben werden kann.