Von Verena Großkreutz

Fellbach - Martin Luther, Begründer der Reformation, gilt auch als der „Vater des evangelischen Kirchengesangs“. Luther war ein guter Sänger, zudem beherrschte er das Lauten- und Flötenspiel. Er folgte Augustinus’ Meinung, wer singe, bete doppelt. Als Luther 1511 im Rahmen einer Pilgerreise in Rom weilte, wird er mit Sicherheit nicht nur in den Kirchen eine Menge Musik gehört haben. Ob es genau die war, die das italienische Alte-Musik-Ensemble Concerto Romano jetzt beim Musikfest hören ließ, bleibt zwar spekulativ. Fakt ist aber, dass das Programm unter dem Motto „Luther in Rom“ dem Publikum in der voll besetzten Fellbacher Lutherkirche ein dramaturgisch glänzend konzipiertes Konzert bot, das sowohl inhaltlich als auch in Sachen Besetzung auf Abwechslung setzte. Und es gab einiges zu entdecken. Der musikalische Leiter des Ensembles, Alessandro Quarta, ist eben auch ein kundiger Musikforscher.

Viel polyphone geistliche Musik für Gesangsquartett erklang natürlich: ein getragenes, kantables Kyrie von Petrus Roselli etwa, Costanzo Festas „Jerusalem quae occidis prophetas“ (Jerusalem, die du tötest die Propheten) oder Josquin Desprez’ Motette „Tu solus qui facis mirabilia“ (Du allein tust Wunder), in der das glänzende Posaunentrio das wohlklingend intonierende Männergesangsquartett freilich zu oft übertönte.

Aber das Besondere am Konzert waren doch die weltlichen Canzone, wie das vom Text her anzügliche, musikalisch schwingende „Noi l’amazzone siamo“ eines Filippo de Lurano, das von Amazonen handelt, die im Dienste ihres Geschlechts „nach hübschen Männern suchen“ - mit Verve und Leidenschaft gesungen von Mezzosopranistin Lucia Napoli. Oder das anonym verfasste Lied „Charitate amore Dei“, das jene Leute verspottet, zu denen Martin Luther zählte; nämlich deutsche Rom-Pilger, für die ironisch zu Spenden aufgerufen wird - vom Männerquartett mit Witz und spielerischer Freude vorgetragen.

Schön auch die instrumentalen Zwischenspiele, etwa eine Piva von Joan Ambrosio Dalza, in der die beiden Lautenisten Francesco Tomasi und Giovanni Bellini vom wunderbaren Perkussionisten Massimiliano Dragoni begleitet wurden, der nur vier Holzplättchen zwischen den Fingern braucht, um pointiert und dynamisch ungeheuer facettenreich jene rhythmisch-metrische Vielfalt und Beweglichkeit ins Spiel zu bringen, die dem unterhaltsamen, am Ende bejubelten Abend gelegentlich denn doch fehlten. Daran könnte der musikalische Leiter Alessandro Quarta durchaus noch arbeiten.