Vom Gartenzwerg zum Frontsoldaten: Daniel Großkämper (links) und Timo Beyerling spüren in „Ein Kriegsspiel“ heimlich-unheimlichen Todestrieben nach. Foto: Björn Klein - Björn Klein

1916 wurde der Esslinger Gymnasiast Adolf Stadler in den Ersten Weltkrieg geschickt, aus dem er nicht mehr heimkehrte. Bis zu seinem Kriegstod hat er Briefe und Feldpostkarten in die Heimat geschickt. Auf ihnen und weiteren Texten basiert die Stückentwicklung „Ein Kriegsspiel“, inszeniert vom Theaterkollektiv Pecora.

EsslingenDas Foto von 1915 zeigt eine Schar Kinder und Jugendliche in der Esslinger Unteren Beutau. Sie spielen, was gerade die Wirklichkeit verheert: Krieg. Einer der Jugendlichen ist der 17-jährige Gymnasiast Adolf Stadler. Ein Jahr später wird er eingezogen in den Ersten Weltkrieg, tötet und wird getötet. Hinterlassen hat er eine Reihe von Briefen und Feldpostkarten. Und die sind „mal herzzerreißend, mal großtönend, mal langweilig“, sagt Arno Weber. Genau dieses Durchschnittliche in der Extremsituation interessiert den Theatermacher Weber. Basierend auf den Briefen des jungen Esslingers hat er zusammen mit der Bühnenbildnerin Linda Sollacher – gemeinsam bilden sie das Theaterkollektiv Pecora – die Stückentwicklung „Ein Kriegsspiel“ für Zuschauer ab 13 Jahren inszeniert. Die Uraufführung an der Jungen WLB, der Jugendsparte der Esslinger Landesbühne, findet am morgigen Mittwoch im Studio am Blarerplatz statt.

Stadlers Briefe versuchen sich bei aller Naivität des 18-Jährigen auch an der „Rationalisierung, eher selten an der direkten Rechtfertigung des erzwungenen Tuns“, sagt Weber. Im Stil des Diskurstheaters, wie er es schon mehrfach erprobte, will der Regisseur das Thema Krieg von drei Darstellern „verhandeln“ lassen . Dabei wird historisch und textlich weit ausgegriffen. „Wir gehen zurück bis zum Massaker von Talheim bei Heilbronn, dem ältesten archäologisch dokumentierten Massenmord“, erklärt Weber. In der Jungsteinzeit um 5100 vor Christus starben dort 34 Menschen eines gewaltsamen Todes. Dieser weiten Perspektive auf die Menschheitsgeschichte entspricht eine Textbasis, die Stadlers Briefe mit Zitaten vom Gilgamesch-Epos bis zu Ernst Jünger, aus Anweisungen der Heeresleitung sowie aus sozial- und geschichtswissenschaftlichen Werken ergänzt. Zu Wort kommt auch ein Freund und Leidensgenosse des Esslinger Soldaten, der spätere Literaturwissenschaftler und CDU-Politiker Gerhard Storz, baden-württembergischer Kultusminister von 1958 bis 1964. „Er hat in seinen Lebenserinnerungen die gemeinsame Zeit im Krieg romantisiert“, sagt Weber.

All dieses Material dient „dem Versuch, herauszufinden, warum wir uns töten“. Eine der ganz großen Fragen der Menschheit, die naturgemäß auch im Studio am Blarerplatz nicht ein für alle Mal beantwortet wird. Aber „wir können das Thema emotional, künstlerisch und intellektuell an uns heranholen“, erklärt Weber. Die drei Akteure spielen deshalb keine Rollen, sondern diskutieren über Rollen, agieren Haltungen aus, vergegenwärtigen Handlungen von Menschen im Krieg oder im Bann von Gewalt. Daraus folge aber „kein schwergewichtiger Collage-Abend“, verspricht der Regisseur – und will sich lieber an die Einsicht halten: „Wenn man ein ernstes Thema behandelt, muss es witzig sein.“

Die Premiere beginnt an diesem Mittwoch um 18 Uhr im Esslinger Studio am Blarerplatz. Eine weitere Vorstellung folgt am 17. März.