Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Ein Blick auf die neueste CD „Bohemian Rhapsody“ des charismatischen ungarischen Startrompeters Gábor Boldoczki sagt alles. Ein Bläser, der sich musikalisch dem 20. und 21. Jahrhundert verweigert, ist dazu verdammt, vor allem eines zu spielen: kuriose Bearbeitungen, das heißt Konzerte, die ursprünglich für andere Soloinstrumente geschrieben wurden. Sieht man von neueren Zeiten ab, bietet vor allem die Barockmusik Trompetern Originalwerke. Allerdings wurden diese für die damals noch ventillose Naturtrompete mit geringem Tonumfang geschrieben, weswegen sie wenig taugen zur spektakulären Demonstration virtuosen Könnens. Sie bieten Melodien nur im hohen Register, Tonrepetitionen, Triller, Dreiklänge, Fanfaren: ein Kinderspiel für heutige Trompetenvirtuosen wie Boldoczki und ihre technisch ausgeklügelte Ventiltrompete. Im Konzert im gut besuchten Beethovensaal, wo Boldoczki und das Kammerorchester Philharmonia Prag besagte CD jetzt vorstellten, konnte man rare Werke böhmischer Komponisten aus frühklassischen bis romantischen Zeiten hören. Etwa ein eingängiges Konzert des Haydn-Zeitgenossen Johann Baptist Georg Neruda, das eigentlich fürs Horn geschrieben wurde. Der blitzblanke, warme und weiche Ton Boldoczkis ließ aufhorchen. Es ist dieser wie mit Puderzucker bestäubte Wunderton, der die Ohren einlullt und der wohl der Grund ist für die vielen Echo-Klassiks, die Gábor einheimst. In Johann Nepumuk Hummels „Introduktion, Thema und Variationen“ f-Moll op. 102, eigentlich für Oboe komponiert, wechselte Boldoczki zwischen drei unterschiedlich großen Trompeten. Mal brachte er melancholische Melodien zum Singen, mal frönte er Trompeter-Zirzensik wie quecksilbrigen Läufen, heiklen Koloraturen und fröhlichen Springtänzen zwischen den Registern. Für das Flügelhorn arrangiert brillierte der Ungar in Johann Baptist Vanhals Konzert F-Dur für Kontrabass.

Die Musiker der Philharmonia Prag, die von Jan Fišer am Konzertmeisterpult geleitet werden, waren dem Solisten ein verlässlicher Partner. Zwischen den Trompetenschmankerl spielten sie Raritäten: etwa die in ihren Kontrasten elektrisierende Sinfonie von František Benda, die Stilelemente des Barock und der Empfindsamkeit vereint, oder das schachtende, sich aus schöner Lethargie zu weitgespannter Melodik aufschwingende Nocturne op. 40 von Dvorák. Aber den eindringlichsten Ohrwurm gab’s am Ende, als Boldoczki sein blitzendes Flügelhorn zur Zugabe erhob und mit einem Arrangement aus Dvoráks Liederzyklus „Als die alte Mutter sang“ einen wahrhaft sehnsuchtsvoll-ariosen Gesang hören ließ. Der blieb noch sehr lange im Ohr hängen.