Szene aus der aktuellen „Nosferatu“-Produktion in der Rampe. Foto: K. Schomburg - K. Schomburg

Die recht statische Inszenierung von Rampe-Co-Intendantin Marie Bues und Choreografin Nicki Liszta wird der schieren Gesprächigkeit dieser Monologe kaum Herr.

StuttgartWas für ein geschwätziges Stück. Mit wahren Wortkaskaden setzen uns die Monologe der Hauptpersonen unter Wasser, aus diesen assoziativen, sich langsam hochschaukelnden Selbstgesprächen baut Sivan Ben Yishai nach und nach drei zerbrechende Leben zusammen. Auf Friedrich Murnaus alten deutschen Stummfilm „Nosferatu“ bezieht sich die israelische, in Berlin lebende Autorin mit ihrem Stück „Die Tonight, Live Forever oder Das Prinzip Nosferatu“, das nun als Koproduktion mit dem Theater Lübeck seine Stuttgarter Premiere im Theater Rampe feierte.

So gut auch die Darsteller ihre einsamen, um sich selbst kreisenden Charaktere in subtiler Eindimensionalität erstehen lassen, so perfekt auch die langen chorischen Kommentare gegen Schluss hin einstudiert wurden: Die recht statische Inszenierung von Rampe-Co-Intendantin Marie Bues und Choreografin Nicki Liszta wird der schieren Gesprächigkeit dieser Monologe kaum Herr. Menschliche Interaktion oder gar Dialoge gibt es wenig in dem merkwürdigen Schauspiel, die meisten Worte werden vage direkt ins Publikum gesprochen – am ehesten noch erinnert das fortgesetzte Um-sich-selbst-Kreisen an eine Art von Vampirismus.

Zwar klebt Nicki Liszta den Chor aus drei erstaunlich gechillten Vampiren anfangs wie lauernde Fledermäuse an eine hohe Plexiglas-Scheibe, die später der Innenwand einer flachgelegten Gummizelle weicht (Ausstattung: Claudia Irro). Aber zum ersten Mal in der fruchtbaren Zusammenarbeit von Bues und Liszta zerfällt die sonst so nahtlose Integration zwischen Schauspielern und Tänzern in ein Patchwork aus illustrativen Einzelszenen. Großartig in ihrer murmelnden Nervosität läuft Rachel Behringer als junge Frau im Samba-Rüschenkleid vor sich selbst davon, während Niko Eleftheriadis sein schwuler Kleinstadt-Immobilienmakler etwas zu hetero gerät, der schließlich auf Knochenbergen in den Katakomben von Paris sexuelle Befriedigung findet. Statt der Pest wie in Murnaus Film befallen hier Aids und Krebs die Menschheit, der kommentierende Vampirchor aber saugt nicht etwa die arbeitende Bevölkerung aus, sondern schaut erstaunlich passiv zu, bis die Menschen durch Selbstausbeutung eingehen. Haben die Vampire schon lange gewonnen, dass dieses Stück mitten im späten Kapitalismus so freimütig auf das mächtige Symbol ihrer Gier verzichten kann? Einzig die von organhandelnden Vampiren ausgeweidete Motorradfahrerin – die tapfere Sophie Pfenningstorf steckt über zwei Stunden lang unter einem Helm – findet am Schluss Erlösung und überlebt staunend. Als Zuschauer findet man da die Idee eines Stummfilms plötzlich nicht mehr so schlecht.

Die nächsten Vorstellungen: 21. bis 24. April, 5. bis 9. Juni.