Von Rainer Kellmayer

Stuttgart - Die junge italienische Geigerin Anna Tifu ist ein aufsteigender Stern am europäischen Musikhimmel. Für ihr Debüt mit den Stuttgarter Philharmonikern wagte sie sich im Beethovensaal mit Paganinis zweitem Violinkonzert in die Gipfelregionen technischer Geigenkunst: Der wohl berühmteste aller Violinvirtuosen verlangte der Solistin wahre Teufelsritte ab - Kabinettstücke, die er sich einst selbst auf den Leib geschrieben hat.

Tifu stürzte sich nach der an Rossini erinnernden Orchestereinleitung mutig ins Meer der Töne, ließ die Finger heiß laufen, zeichnete die Springbogen-Aktionen präzise nach und brachte ihre Stradivari bei den vertrackten Doppelflageoletts zum Klingen. Zwar bewegte sich dies nicht immer auf der Idealspur der Intonation, doch das machte Tifu durch ihre beeindruckende Bogen- und Grifftechnik wett. Nach einer halsbrecherischen Kadenz, die alles bot, was auf der Geige möglich ist, hörte man im Adagio betörenden Tonschmelz. Doch schnell übernahm der Glanz technischer Brillanz wieder das Zepter: Im mit „La Campanella“ überschriebenen Finale gab es nicht nur Glöckchenklang und ultrahohe Töne, sondern auch eine rasante Schlussstretta, die Tifus Geigenkunst erneut im hellsten Licht erstrahlen ließ.

Mit dem Begleitpart des Paganini-Konzertes waren die Stuttgarter Philharmoniker nicht besonders gefordert. Sergej Rachmaninoffs zweite Sinfonie stellte da wesentlich anspruchsvollere Aufgaben: Langgezogene melodische Entwicklungen, Emotionalität und Pathos, aber auch wilde Fugati mussten zum organischen Ganzen gefügt werden.

Marc Piollet steuerte die dynamischen Wellen mit recht unkonventioneller, zuweilen weitausholender Gestik, ließ der Musik jedoch stets ihren Fluss. Neben elegischen Bläserfarben im Adagio standen lärmende Sequenzen, die rasanten Triolenketten des Finales und über weite Strecken ein sinfonischer Breitwandsound, der in puncto Transparenz nicht immer Optimalwerte erreichte. Engagiert und mit leidenschaftlicher Tongebung setzten die Stuttgarter Philharmoniker die Partitur um, ohne jedoch die Längen der Komposition gänzlich kaschieren zu können.