Drei Freunde von der pop-musikalischen Retro-Front: Peter Howarth, Mick Wilson und Pete Lincoln (von links). Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Ingo Weiß

Stuttgart - Drei Freunde, drei großartige Stimmen, drei Akustikgitarren - sonst nichts. Doch: bekannte Evergreens. Mehr braucht es nicht, um ein Publikum live zu begeistern. Das Konzept ist so schlicht wie ergreifend, das Ergebnis ein wunderbares Clubkonzert mit einer gelösten Atmosphäre wie in einem britischen Pub.

Auf der Bühne im ausverkauften Saal des Stuttgarter Theaterhauses stehen drei namhafte Vollblut-Musiker, denen der Schalk im Nacken sitzt: Peter Howarth, Mick Wilson und Pete Lincoln. Mit den Namen der sehr guten Instrumentalisten wissen viele vielleicht wenig anzufangen, mit den Bands, für die sie stehen, aber allemal: The Hollies, 10cc und The Sweet. Ihre Hoch-Zeiten hatten alle drei Formationen in den 70er-Jahren. Ihr Glanz strahlt jedoch bis heute.

Musikalisch keine Mogelpackung

Dem britischen Popsänger Cliff Richard ist es zu verdanken, dass Frontm3n zusammengefunden haben. Er engagierte die drei Musiker 1994 als Gitarristen und Backgroundsänger. Daraus sind Freundschaften entstanden und die neue Form der Zusammenarbeit seit 2015. Aber um es richtig einzuordnen: Alle drei sind nur die aktuellen Leadsänger der jeweils aktuellen Inkarnationen jener Kult-Bands. Keiner ist ein Gründungsmitglied, und keiner von ihnen schrieb einen der Hits, die sie aufführen. Insofern ist das Hausieren mit den Bandnamen ein kleiner Etikettenschwindel, aber keine musikalische Mogelpackung.

Im kleinen Saal des Theaterhauses, den Frontm3n bewusst gewählt haben, weil dort ihre intimen akustischen Versionen der Songs am besten zur Geltung kommt, brennen sie ein mehr als zweistündiges popmusikalisches Feuerwerk ab, zwar auf altmodische Art und Weise, aber herzerwärmend schön. Sie leben natürlich ein wenig vom Ruhm der Originale, aber sie machen ein eigenes Ding daraus: unplugged und abgespeckt, handgemacht und ehrlich, gemeinsam und einzeln. Sie vermitteln das Gefühl, sie spielen aus Spaß und für ein, zwei Biere.

Am längsten dabei ist Mick Wilson, der 1999 zu 10cc stieß. Die Rockband aus Manchester ist bekannt geworden mit leicht verschrobenen Artrock-Kompositionen. Der 55-Jährige reüssiert souverän mit Klassikern wie dem fantastischen „Rubber Bullets“ (1973) mit großen Anleihen an Beach-Boys-Songs, dem schmachtenden „I’m not in Love“ (1975), das tatsächlich ein Liebeslied ist, und dem reggaehaften „Dreadlock Holiday“ (1978). Es sind Songs, die in keiner gut sortierten Jukebox fehlen dürfen und Hautnah-Erlebnisse der sympathischen Art. Bei der Mini-Operette „Donna“ glänzt Wilson mit seinem virtuosen, mehrere Oktaven umfassenden Stimmumfang.

Peter Howarth trat 2004 den Hollies bei. Auch der 57-jährige aus Blackpool überzeugt mit Zuckerbäcker-Stimme und einer klasse Liederauswahl vornehmlich der gefühlvollen Art wie dem letzten großen Charterfolg „The Air that I breathe“ und „Look through any Windows“, das 1965 vom 10cc-Bassisten Graham Gouldman geschrieben wurde. Bei der Ballade „Priceless“, einem eigenen Solostück, beweist er sein hervorragendes Gitarrenspiel. Am eindringlichsten gelingt ihm jedoch die dramatische Hollies-Ballade „He ain’t heavy, he’s my brother“ - ein funkelnder Pop-Edelstein, eingefasst in eine nostalgische Zeitreise. Entspannt lässt sich das Publikum in die Zeit der Beatmusik zurück tragen.

Während die Hollies- und 10cc-Covers nah dran sind an den Originalen, ragen die Sweet-Titel dank ihrer ausgefallenen Arrangements heraus. Ganz besonders gelingt dies Pete Lincoln, der seit 2006 bei der einst erfolgreichen Glamrock-Band aus Middlesex den Bass zupft, beim stark reduzierten „Love is like Oxygen“. Aber „Fox on the Run“ und insbesondere das sensationelle „Ballroom Blitz“ stehen in nichts nach. Der 61-Jährige aus Newcastle upon Tyne, ein selbsternannter Romantiker, betört überdies mit der eigenen Komposition „This Town“, die von der Liebe zu seiner Heimatstadt handelt.

Mit tadellosem mehrstimmigem Satzgesang, präzisem Zusammenspiel und viel Gefühl verzaubern die Frontm3n die Fans. Und mit britischem Witz, der sich nicht nur in humorvollen und hintergründigen Ansagen niederschlägt.

Salut für Cliff Richard

Als Running Gag wird jedesmal ironisch Cliff Richard salutiert, sobald sein Name fällt. Ihm widmen Howarth, Wilson und Lincoln zwei Coverversionen: das von Terry Britten komponierte „Carrie“ und natürlich „Lucky Lips“, ebenfalls zwei großartige Kulthits. Einen anderen Altmeister, Roy Orbinson und seine Traveling Wilburys, ehren sie mit dem überragenden „You got it“. Lincoln darf noch süffisant den Ohrwurm „Glass of Champagne“ zelebrieren, schließlich spielte er von 1995 an zehn Jahre lang bei der Popband Sailor.

Die alten Lieder mit den tollen Stimmen zu hören, bedeutet Streicheleinheiten für die Seele. Einzige Wermutstropfen: die akustische Instrumentierung mit zwei oder drei Gitarren bietet wenig Variationsmöglichkeiten. Und das Rauf und Runter von der Bühne, weil jeder mal solo spielt, gefällt nicht allen. Gegenüber den Glanzpunkten fällt das aber kaum ins Gewicht. Am Ende gibt es stehende Ovationen.