Angebote wie die neue U 16 von Fellbach nach Giebel oder Erweiterungen des Streckennetzes etwa zum Flughafen beeinflussen das Ergebnis der SSB. Foto: Patricia Sigerist - Patricia Sigerist

Das Defizit der städtischen Verkehrsbetriebe schnellte auf gut 34 Millionen Euro hoch. Danach zogen die SSB Konsequenzen. Der zuständige Bereichsleiter ist nun weg, die Stelle des Finanzvorstands immer noch unbesetzt.

StuttgartUmsatzerlöse von gut 330 Millionen Euro im Jahr, Gesamtaufwendungen von fast 370 Millionen Euro: Bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) wird jedes Jahr viel Geld bewegt. Da ist der Leiter des Unternehmensbereiches Zentrale Kaufmännische Services – samt Finanzcontrolling und Rechnungswesen – ein nicht unbedeutender Mitarbeiter. Wer ihn zurzeit anmailen will, bekommt allerdings nur eine Antwort von der SSB: Der Betreffende sei „außer Haus und nicht erreichbar“. Der Leiter des Finanzbereichs, zuletzt immerhin auch einer der vertretungsberechtigten Prokuristen der SSB, ist vom Vorstand seit 6. Mai freigestellt. Innerhalb der SSB rechnet man mit einer Trennung.

Zuvor war das städtische Verkehrsunternehmen Ende 2018 auf rasante Weise weiter in die roten Zahlen gerauscht. Noch bis zum Dezember hatten die Verantwortlichen beteuert, dass man sich auf Kurs befinde, was auf ein geplantes Defizit von gut 26 Millionen Euro hinausgelaufen wäre. Plötzlich aber war ein Minus von knapp 35 Millionen aufgelaufen. Und damit schlagartig so viel, wie man erst in einigen Jahren erwartet hätte, weil sich bei den SSB-Finanzen strukturelle Veränderungen ergeben, weitere Schienenstrecken und Fahrzeugkäufe nötig werden, das Schienennetz erneuert werden muss.

Wie konnte das Ergebnis so schnell abstürzen, ohne dass jemand Alarm schlug? Das wird nun untersucht, nachdem der Aufsichtsrat im April die Genehmigung des Geschäftsberichtes auf Juni verschoben hat. In den Fokus geriet der Leiter des Finanzbereichs. Was ihm angelastet wird, dazu gibt die SSB keine Auskunft. Der Aufsichtsratsvorsitzende OB Fritz Kuhn (Grüne) äußere sich zu diesem Vorgang auf der operativen Ebene auch nicht, sagte Sven Matis, Sprecher der Stadt.

Ein strafbares Fehlverhalten wie etwa Unterschlagung liegt offenkundig nicht vor. Manches spreche dafür, sagen Beobachter, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Bereich Controlling und anderen Firmenbereichen nicht richtig klappte. Es könne sein, dass Sondereffekte eine Rolle spielten wie der Aufwand in Millionenhöhe, der aus der Umsetzung von Betriebsvereinbarungen resultierte, um die Vorstand und Betriebsrat gerichtlich gestritten hatten. Andere vermuten, der Mann habe womöglich zu viel delegiert. Wieder andere glauben von erheblichen Fehlkalkulationen zu wissen: Er habe absehbare Einnahmen und Ausgaben falsch eingeschätzt. An mangelnder Erfahrung kann es eigentlich kaum liegen. Bevor der Betreffende 2016 zum SSB-Finanzvorstandsmitglied Stefanie Haaks gestoßen war, hatte er sich beim vorigen Arbeitgeber und in Seminaren als Spezialist für Controlling und verwandte Bereiche präsentiert. Er selbst ist telefonisch nicht erreichbar und nicht zu befragen.

Die Lage bei der SSB ist umso brisanter, als die wichtigste Stelle mit Finanzverantwortung momentan vakant ist: Haaks ist Ende 2018 nach kurzem Gastspiel bei der SSB zu den Kölner Verkehrsbetrieben gewechselt. Für ihre Nachfolge wählte der Personalausschuss des Aufsichtsrats am Mittwoch aus vier Bewerbern der engeren Wahl zwei aus, die sich dem Aufsichtsrat vorstellen sollen. Leicht favorisiert zog so Markus Ilka ins Finale ein, der schon bei der SSB arbeitet, den Unternehmensbereich Informationstechnologie leitet und ihn nach einigen schwierigen Jahren gut aufgestellt haben soll. Er sei mit dem zu Teilen verunsicherten Personal geschickt umgegangen, heißt es. Der andere Bewerber kommt aus Norddeutschland.

Bei der nächsten turnusmäßigen Sitzung im Juni dürfte dann auch eine Rolle spielen, wie die SSB neu aufgestellt werden können. Bisher sollte der jährliche Zuschuss 25 Millionen Euro nicht übersteigen. Bezahlt wurde er von der Stadt auf dem Umweg über die Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrs GmbH, in der Erträge aus städtischem Kapital steuergünstig mit dem Defizit der Verkehrsbetriebe verrechnet werden. Dass der Gemeinderat bereit ist, in den öffentlichen Nahverkehr mehr Geld zu investieren, hat sich schon gezeigt. Bei den Haushaltsberatungen 2017 stellte er Extragelder in Höhe von 72 Millionen für Investitionen bereit.