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Qualität setzt sich durch: Sophie Hunger im Stuttgarter Wizemann. Die Songwriterin aus der Schweiz überzeugt mit sehr guten Songs und interessanter Synthesizermusik.

StuttgartEs ist Valentinstag, und das, erzählt Sophie Hunger im vollen Wizemann, sei sehr gut, denn das mache ihr die Ansagen leicht. Arglos brav spricht sie an die Liebenden, und in jenem harmlos blauäugigen Studentinnenduktus, der auch die Musik etwa von Judith Holofernes auszeichnet, kommen leider auch einige der Songs des Abends daher. Aber zum Glück nur wenige. Das Gros besteht aus sehr guten Liedern, die aus einer eigenständigen, höchst originellen Melange aus klassischem Singer-Songwriter-Material und interessanter Synthesizermusik zusammengesetzt sind.

Was zunächst als unpassender Zwitter anmutet, klappt bei Sophie Hunger hervorragend. Insbesondere ihr französischer Tastenmann spielt sich angenehm in den Vordergrund – mit punktgenau gesetzten Akzenten, facettenreichen Melodiebögen und jenen notwendigen Brüchen, die aus schlichten Popsongs erst ambitionierte machen. Sophie Hungers Stimme, durchaus modulationsfähig, aber weder zu hoch noch zu tief, fügt sich gut zu dieser Musik, mal klar prononciert, mal sphärisch entrückt. Mit der dezent-präzisen Grundierung durch das Schlagzeug und dem so präzise wie massiv agierenden Bass wird ein Fundament gelegt, das urplötzlich den Sound weit weg vom Indiefolkpop steuert und ihn viel näher in Richtung eines Trip-Hop à la Portishead lenkt. Wären da nicht die tollen Alben ihrer exzellenten Kolleginnen Julia Holter (die am 17. Juni in die Schorndorfer Manufaktur kommt), Anja Plaschg alias Soap & Skin oder ihrer schottischen Namensschwester Sophie (unter diesem Künstlernamen erschien ebenfalls 2018 das grandiose Werk „Oil of every Pearl’s un-Insides“), dann wäre Hungers aktuelles und ohnehin schon gut gefeiertes Album „Molecules“ in den Jahrescharts der deutschsprachigen Musikmagazine vielleicht noch weiter oben gelandet, als es ohnehin schon ist.

Aber auch so steht sie gut da. Seit die Schweizerin 2011 bei einem Festival auf dem Tübinger Marktplatz bizarrerweise just zu jener Stunde erstmals auf einer großen Bühne der Region stand, in der sich die Nachricht vom Tod Amy Winehouse’ wie ein Lauffeuer verbreitete, hat sie sich höchst verdient ein großes und treues Publikum erarbeitet.

Charmant führt die 35-Jährige, die selbst an Gitarre und E-Piano agiert, durch das Programm, eigenständig ist ihre Musik ohnehin, was nicht zuletzt durch den mal französischen, mal englischen, mal deutschen beziehungsweise schwyzerdeutschen Gesang zum Ausdruck kommt – auch dies ein schönes Zeichen künstlerischer Souveränität. Was bleibt, ist ein erfreuliches Fazit: Qualität setzt sich durch – wie schön, auch das mal wieder im Zusammenhang mit erfolgreicher Popmusik sagen zu dürfen.