Probenszene mit Matthias Klink (Gustav von Aschenbach) und David Moore (Apollon). Foto: Stuttgarter Ballett Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart - Schon vor über 40 Jahren sollte Benjamin Brittens letzte Oper in Stuttgart gezeigt werden: In der Spielzeit 1974/75 war „Death in Venice“ gerade ein Jahr alt, und der große Heldentenor Wolfgang Windgassen wollte die Titelpartie singen. Er ist kurz vorher gestorben, stattdessen kam im Staatstheater dann Brittens „Albert Herring“ - und seitdem nie wieder eine Oper des britischen Komponisten. Umso begeisterter sind nun sämtliche Mitwirkende von dem eigenwilligen, ganz auf seinen Hauptdarsteller konzentrierten Werk nach der berühmten Novelle von Thomas Mann. Am kommenden Sonntag hat die Koproduktion von Oper und Ballett Premiere, inszeniert vom „Krabat“-Choreografen Demis Volpi und dirigiert von Kirill Karabits.

Ethische Zweifel

Britten hat einige der Rollen mit Tänzern besetzt, vor allem den schönen Jüngling Tadzio, in den sich der ehrenwerte Schriftsteller Gustav von Aschenbach in Venedig verliebt. Anstatt die von der Cholera bedrohte Stadt zu verlassen, verfolgt er den 14-Jährigen aus der Ferne und fällt nicht nur der Schönheit, sondern auch Dekadenz und Tod anheim. „Interessant ist eigentlich, dass es zu Thomas Manns Zeiten, als die Novelle erschien, gar keinen Skandal gab“, sagt Regisseur Volpi über das heikle Sujet der Knabenliebe: „Mit seiner Entscheidung, gleichsam mit und durch Aschenbachs Feder zu schreiben, und in seiner unglaublich versierten und kultivierten Art, die Dinge zu schildern, hat Thomas Mann es tatsächlich geschafft, das Thema zu rechtfertigen.“ Den jungen Argentinier, der bereits in Schwetzingen Jommellis „Fetonte“ inszenierte, interessieren an dem Stoff vor allem der zentrale Charakter und dessen ethischen Zweifel: „Es geht nur indirekt um die Gesellschaft, in der Aschenbach lebt; vor allem geht es um ihm selbst und darum, wie und ob er mit seinem erotischen Begehren umgeht.“

Tanzender Apollo

Bei Volpi tanzt auch der Gott Apollo, der bei Britten nur als körperlose Stimme vorhanden ist (und bei Thomas Mann gar nicht vorkommt). Ihm gehört in der Oper das Finale des ersten Aktes, „The Games of Apollo“. Britten, so erklärt der Regisseur, habe sich für diese Szene stark von indischer Gamelan-Musik inspirieren lassen: „Er beschwört so eine Art fernöstliches Tableau. Dem gehen wir auch szenisch nach, in aller Ironie. Wir spielen damit.“ Katharina Schlipf betont mit ihrem mächtigen, äußerst wandelbaren Bühnenbild vor allem das Labyrinthische der Stadt Venedig - so stark, dass sich bei den Proben immer wieder Sänger auf der Bühne verlaufen haben. Sie sieht die Stadt am Meer nicht als konkreten Ort, sondern als Symbol für Aschenbachs verirrten, verfallenden Zustand.

Die Rolle des Tadzio wird ein junger Student von der John-Cranko-Schule spielen: „Es geht darum, diese Unschuld und Naivität darzustellen, jemanden vor sich stehen zu haben, den man wirklich nicht berühren darf. Das Stück ist ja auch für Britten zu einem großen Teil autobiografisch, vielleicht stärker als für Thomas Mann selbst“, so der Regisseur, der von Brittens musikalischer Vorliebe für die hellen Sopranstimmen von Knaben berichtet: „Darum geht es in dem Stück - um das Ideal der Unschuld und das Ideal der Schönheit. Das kann nur ein Kind.“

„Britten denkt Farben“

Bei aller Sprachgebundenheit des immer wieder rezitativischen Kompositionsstils (gesungen wird in englischer Sprache) ist Dirigent Kirill Karabits von Brittens Orchester begeistert: „Britten denkt Farben, er denkt Klangmischungen.“ Die Hauptrollen sind mit zwei in Stuttgart besonders beliebten Sängern besetzt: die zentrale Figur des Gustav von Aschenbach mit Tenor Matthias Klink, sein unheimliches Gegenüber mit Bariton Georg Nigl. „Wer steckt hinter diesem Gegenspieler, der in sieben verschiedenen Figuren auftritt?“, fragt sich Demis Volpi: „Ich gehe gerade nicht davon aus, dass es der Tod ist...“. Am Sonntag werden wir es hoffentlich erfahren.

Die Premiere am Sonntag ist ausverkauft, für alle anderen Aufführungen gibt es noch Karten: 11., 14., 18., 25. Mai, 5., 18. Juni, 7., 19. Juli.

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