Fideler Nonnen-Chor: Szene aus „Sister Soul und ihre Schwestern“ mit (von links) Foto: Tobias Metz - Tobias Metz

In einer Kaschemme im Leonhardsviertel beobachtet die Nachtclubsängerin Josephine Becker einen Mord. Die Folgen sind dramatisch – und für das Publikum unterhaltsam.

StuttgartZum Saisonauftakt rockt ein Gospelchor die Komödie im Marquardt: toll besetzt, schön gesungen und vielleicht ein wenig grobmotorisch im Humor wird das Musical „Sister Soul und ihre Schwestern“ zum umjubelten Erfolg für die Unterhaltungsabteilung der Stuttgarter Schauspielbühnen. Wenn die singenden Nonnen durchs Parkett swingen, steht das Publikum in den Reihen.

Die Handlung spielt nicht etwa im Mutterland des Souls, sondern mitten in Stuttgart: In einer Kaschemme im Leonhardsviertel beobachtet die Nachtclubsängerin Josephine Becker (deren Name natürlich nur rein zufällig an Josephine Baker erinnert) einen Mord, begangen ausgerechnet von einem korrupten Polizisten. Auf der Flucht vor dem bestens vernetzten Mörder landet sie bei ihrer ehemaligen Freundin Franziska, die inzwischen als Nonne in einem Klosterkrankenhaus arbeitet und die verzweifelte Josephine zwecks Tarnung in ein Ornat steckt. Die vorlaute und so gar nicht christlich-bescheidene Sängerin eckt unter den anderen Schwestern mächtig an, bis sie – eine der schönsten Szenen des Abends – den wirklich grottenschlimm singenden Klosterchor aufmischt und mit ihrem Schwung die weltfremden, ein wenig entrückten Nonnen zu lautstarken Verkünderinnen ihres Glaubens macht.

Mit großer Liebe zum Detail

Angelehnt ist die Handlung natürlich an den bekannten Whoopi-Goldberg-Film aus dem Jahr 1992. Mathias Christian Kosel verfasste die Bühnenadaption, die bereits 2005 im Altonaer Theater im Hamburg uraufgeführt wurde, also noch vor dem großen Broadway-Musical „Sister Act“, das vor einigen Jahren auch im Musicaltheater in Möhringen zu sehen war. Originellerweise versammelt Kosels vergleichsweise kleinformatiges Stück all die bekannten Gospel- und Soul-Hits aus dem Film, die in der teuren Version der Stage Entertainment fehlten. Die extra fürs Marquardt mit seiner schnuckelig kleinen Bühne entstandene Stuttgarter Version entlädt sich prompt in den schwäbischen Pointen von Schwester Walburga, die Darstellerin Amelie Sturm so herrlich trocken einwirft. Völlig identisch sehen die sieben Schwestern plus Oberin in ihren schwarzweißen „Pinguin“-Kostümen aus, der korrupte Kommissar beschimpft sie natürlich auch noch frauenfeindlich. Gemeinsam mit Regisseur Udo Schürmer aber entwickelt das toll singende Ensemble völlig individuelle Frauen – natürlich ein wenig klischeehaft, schließlich sind wir im Musical, aber von den Darstellerinnen ursympathisch und mit großer Liebe zum Detail charakterisiert.

Jede der Schwestern hat ihre süße kleine Macke; wenn die schlaflosen Nonnen sich nachts zufällig in der Küche treffen, wird spanisch getanzt oder die Sterbeszene aus Shakespeares „Romeo“ dargeboten. Der aufsässige Neuzugang mischt sie gründlich auf und sorgt dafür, dass sie neben Pflicht und Demut mehr Lebensfreude in ihren Chor einbringen. Dorothée Kahler als bebrillte, lustige Jugendfreundin, Maryanne Kelly, Melanie Ortner-Stassen, Bianca Spiegel, Sorina Kiefer und Maja Müller fühlen sich sensibel in die frommen Frauen ein und beeindrucken mit ihrem starken, klaren Chorgesang, ob im Gospelton oder klassisch – auch wenn die musikalische Begleitung nur aus dem Klavier von Josephine Tancke besteht, die als knurrende Schwester Felicitas ihr feines Kabinettstückchen abliefert. Als Josephine übertreibt es Tamara Wörner manchmal ein wenig mit den exaltierten Auftritten, rührend aber ist die Szene, wenn sie des Nachts in ihrer Klosterzelle merkt, wie einsam sie doch ist. Genussvoll gibt Martin König den echt fiesen Kommissar, und wunderbar spielt Reinhold Weiser den betulichen Gemeindepastor Bruhns: Mit einem Ping-Pong zwischen seinen salbungsvollen, leicht näselnden Predigten und den immer fetziger werdenden Chornummern der Schwestern steigert sich der erste Akt rasant.

Kollekte fürs Kinderhospiz

Nach dem Motto „Kein Musical ohne Glitzervorhang“ dekorierte Ausstatter Steven Koop überreich funkelnde Stoffe über die Nonnenornate und entwarf zwei schummrig-originelle Lokale. Die Idee, ein Kollektenkörbchen durchs Publikum zu geben, stockte bei der Premiere zwar noch in der ersten Reihe, aber wenn die singenden Nonnen lauthals „I Will Follow Him“, „Amazing Grace“ oder „Oh Happy Day“ anstimmen, dann sollte in der Folge doch eine Spende fürs Stuttgarter Kinderhospiz zusammenkommen.

Vorstellungen bis 17. November täglich außer Montag.

www.schauspielbuehnen.de