Von Dietholf Zerweck

Ludwigsburg - Das sei sein Lieblingsquartett, erklärte Thomas Wördehoff zur Begrüßung des Danish String Quartets im Ordenssaal. Und natürlich passt das Programm perfekt zur Vorliebe des Intendanten für Grenzüberschreitungen. Alfred Schnittkes drittem Streichquartett sind sie in seiner Polystilistik eingeschrieben, Joseph Haydns C-Dur-Quartett aus Opus 20 experimentiert unerhört kühn und originell innerhalb seines klassischen Rahmens, und im zweiten Teil des Abends geht es zusammen mit „Dreamer’s Circus“ in die Gefilde skandinavischer Folklore.

Das gleichberechtigte Gespräch von vier instrumentalen Individuen hat Haydn in seinen Streichquartetten auf stilbildende Weise kultiviert. Die Geiger Rune Tonsgaard Sørensen und Frederik Øland, der Bratscher Asbjørn Nørgaard und der Cellist Fredrik Schøyen Sjölin praktizierten es auf außerordentlich dynamische Art. Mit ihren verstrubbelten Blondschöpfen und Bärten wirkten sie wie angriffslustige Wikinger, die sich ins Getümmel musikalischer Schlachten stürzen: ein artikulationsfreudig geführter Diskurs auf leidenschaftlich intellektuellem Niveau. Im ersten Satz des Haydn-Quartetts bringt das Cello das Thema federnd in Stellung, die anderen Stimmen umkreisen es mit eigenen Gedanken, im Adagio finden sie überraschend zu einem wuchtigen Unisono zusammen, dessen rhythmische Spannung sich dann in einem innigen Rezitativ auflöst.

Elektrisierende Wiedergabe

Die Interpretation des Danish String Quartet ist von starken klanglichen und dynamischen Kontrasten geprägt, was sich bei der Wiedergabe von Schnittkes 1983 uraufgeführtem Streichquartett noch expressiv auffächerte. Wie Schnittke Zitate aus der Musikgeschichte in seine an der Grenze des Atonalen operierenden Musik integriert, ist faszinierend - besonders wenn man das Werk in einer so elektrisierenden Wiedergabe hört. Eine Renaissance-Kadenz aus Orlando di Lassos „Stabat mater“, das bizarre Thema von Beethovens „Großer Fuge“ op. 133, die D-Es-C-H-Signatur von Dmitri Schostakowitsch: In Sturm und Schrei, Strömen und Tremoli, in einer sich langsam zerstörenden Walzerfigur und erschütterndem Pathos treibt Schnittke seine Metamorphosen voran, und die Wiedergabe durch das Danish String Quartet ist schlichtweg atemberaubend.

Zum zweiten Teil des Abends kommt Rune Tonsgaard Sørensen mit seinem Trio auf die Bühne. Als Dreamer’s Circus erkunden sie seit 2009 die Volksmusik Skandinaviens, einfallsreich arrangiert und um jazzige Improvisationen erweitert vom Pianisten und Akkordeonspieler Nikolaj Busk und dem Schweden Ale Carr auf seiner nordischen Citter, der den wilden tänzerischen Drive dieser Stücke mit rhythmischer Kraft befeuert. „Fragments in Solbyn“ ist die rockige Version eines finnischen Volkslieds, beim letzten Stück des Trios mischt sich Haydns Adagio aus dem „Kaiserquartett“, später zur deutschen Nationalhymne verwendet, in ein Traditional von den dänischen Inseln. Lustig und schwungvoll wird es zusammen mit den anderen Mitgliedern des Danish String Quartet bei „Five Sheep Four Goats“, beim „Prelude to the Sun“ kommt Bach mit ins Spiel, und bei Nikolaj Busks „Farther into it“ ist schon als Titel Programm: Immer weiter hinein vertiefen sich die Musiker in ihre Materie, sei es Klassik oder Moderne, Folk oder Jazz.