Frei schwebend, aber orientierungslos: Mareile Metzner (links) und Patrick Khatami in „Satellites“. Foto: Elitza Nanova Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Stuttgart - Stellen wir uns vor, man wacht auf, und die Welt hat sich 30 Jahre weiterentwickelt. Das Ende des Kalten Kriegs, die Globalisierung, die digitale Revolution - alles verschlafen haben die bulgarische Kosmonautin Valentina und der deutsche Astronaut Silbermann nach ihrem Jahrzehnte dauernden künstlichen Koma. In einer transparenten Raumkapsel beginnt eine 80-minütige, sehr textlastige Auseinandersetzung um Raum und Zeit, Visionen und Wünschen. Es ist eine Reise durch die Leere, die die Stuttgarter Medienkunstcompagnie post theater und die bulgarische Performancegruppe SubHuman Theatre mit ihrem Stück „Satellites“ im Fitz Stuttgarter Fitz unternehmen. Es ist die dritte Performance, in der sich post theater mit Utopien befasst. Science Fiction trifft auf Dokumentartheater.

Anfangs tut sich wenig in dem kleinen, mit Gaze bespannten Satelliten. Die beiden Raumfahrer sitzen auf ihren Weltraumstühlen, die sie mittels Schienen durch ihren Mikrokosmos bewegen. Ihre Mission ist: überleben. Von den Ereignissen auf der Erde hören sie erst jetzt im Radio: Terror, Kriege, Flüchtlingsströme, Klimaveränderung. Die Welt hat sich nicht zu ihrem Vorteil verändert. Möchte man da zurück? Während der nüchterne Silbermann keinen Sinn darin erkennt und mental im Nirgendwo aufgeht, sehnt sich Valentina nach Menschlichkeit.

Die Darsteller Mareile Metzner und Patrick Khatami philosophieren und theoretisieren in ihren Sesseln. Trotz wunderbar bewegter Projektionen von Sternen, Planeten und schwebenden Raumfahrzeugen samt Cockpit, von Großaufnahmen der Gesichter auf die Außenhaut der Gaze-Kapsel wirkt das Spiel anfangs statisch. Als Zuschauer ist man damit beschäftig, sich auf den englischen Text zu konzentrieren, auf Ausführungen über Johannes Keplers Traum vom Mond und die Russin Valentina Tereschkova, die erste Frau im All.

Doch mit der Musik kommt Schwung ins Spiel. Schöne Gesänge und gymnastische Tänze der Spieler im weißen Astronautenanzug zum spacig verzerrten Elektrosound wecken die Lebensgeister, es macht sich Discofeeling im All breit. Eine kleine Performance à la „Ground control to Major Tom“ erinnert an Kubricks Filmklassiker „2001 Odysee im Weltraum“. Valentina verlässt die Raumkapsel. Sie sucht Kontakt zu menschlichen Wesen und tätschelt die reizenden Aliens im Zuschauerraum, wie Tiere im Streichelzoo.

Das Weltall-Kammertheater mäandert zwischen Astronauten-Epos, Polit-Rückblende und Zukunftsvisionen. Das hat bisweilen seinen gedanklichen Reiz, war doch einst der Kalte Krieg im Orbit ein Wettlauf zwischen Sowjetunion und USA. Aber wo sind die Machtzentralen heute? Vieles wird nur angerissen, das meiste bleibt vage in dem durchaus poetischen Stück, das aber wie seine Astronauten orientierungslos durch den Theaterraum wabert.

Die nächste Vorstellung findet heute, 20.30 Uhr, statt.