Stuttgart (dpa) - Im Fall des unter Hausarrest gestellten russischen Regisseurs Kirill Serebrennikov bittet Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nun Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um Unterstützung. Er ersuche sie, in Russland „für ein faires, transparentes und rechtsstaatliches Verfahren (...) zu werben, das die Freiheit der Kunst unangetastet lässt“, schrieb Kretschmann in einem Brief an Merkel. Serebrennikov sollte an der Stuttgarter Oper Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ inszenieren und in dieser Woche mit den Proben beginnen. Beides ist nun nicht möglich.

Kretschmann lud Merkel auch zur Premiere am 22. Oktober in die Stuttgarter Oper ein. Dort kommt - wie gestern berichtet - eine vom Ensemble erarbeitete eigene Präsentation zur Aufführung. Sie verwendet Szenen eines Films, den Serebrennikov in Ruanda und Stuttgart mit einem afrikanischen Kinderpaar als Hänsel und Gretel gedreht und als Bestandteil seiner Inszenierung konzipiert hat. Eine Realisierung seines ursprünglichen Regieprojekts will die Oper dem Regisseur für die Zeit nach seiner Freilassung vorbehalten.

Serebrennikov wird von der russischen Justiz in einem umstrittenen Verfahren Unterschlagung staatlicher Fördergelder vorgeworfen. Er selbst weist die Vorwürfe zurück, Beobachter werten sie als politisch motivierten Einschüchterungsversuch. Kretschmann schrieb, es treffe das Land „schmerzhaft“, dass der Regisseur „mit schwerlich nachvollziehbaren Gründen in seiner Arbeit behindert und damit nun die gesamte Inszenierung infrage gestellt wird. (...) Dass einem Kosmopoliten wie Kirill Serebrennikov nun Redeverbot auferlegt ist und eine Inszenierung in Deutschland dadurch gestoppt wird, hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben“, erklärte der Ministerpräsident. Der Fall sei von einer „kulturpolitischen Bedeutung, die in ihrer Außenwirkung eine europäische Dimension hat“.