Diva des Untergangs: Kristin Göpfert als Hedda mit Martin Theuer (links) als ihr Mann Jörgen Tesman und Antonio Lallo als Richter Brack. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Martin Mezger

Esslingen - Eigentlich heißt sie Hedda Tesman. Dass Henrik Ibsen den Mädchennamen der 29-jährigen und frisch vermählten Hauptfigur zum Titel seines Dramas macht, ist ein erster Hinweis: Hedda Gabler fühlt sich nicht wohl in ihrer verheirateten Haut. Sie zickt herum, nervt ihre Umgebung mit ewiger Unzufriedenheit. Ihren Gatten Jörgen Tesman kratzt das zunächst nicht groß. Hedda, die viel begehrte, ist für ihn ein bisschen Prestigeobjekt - aber mehr zählen für den Kulturwissenschaftler und frisch gebackenen Doktor seine Bücher und seine Karriere. Den Professorentitel hat er im Blick, im Vorgriff auf das erwartete Einkommen hat er für sich und Hedda schon mal ein luxuriöses Haus gekauft.

Die Situation ändert sich, als Eilert Lövberg aufkreuzt, Heddas Ex, den sie nach einer wirren und wilden Beziehung möglicherweise in den Alkoholismus getrieben hat. Jetzt scheint er kuriert - und zudem, ebenfalls Kulturwissenschaftler, ein ernst zu nehmender Konkurrent für Tesman. Nun entwickelt Hedda eine aberwitzige Destruktivität, zielt mit intriganten Machtspielen auf tödliche Vernichtung, die am Ende Lövberg und sie selbst trifft. Was ist los mit ihr?

Für den Regisseur Alexander Müller-Elmau, der „Hedda Gabler“ mit Kristin Göpfert in der Titelrolle an der Esslinger Landesbühne inszeniert, ist sie eine Borderlinerin. Nicht die Ehe richtet sie zugrunde und auch nicht nur ihr kompliziertes, vielleicht frigides Verhältnis zu Männern, das in einer traumatischen Vaterbeziehung wurzeln könnte. Sondern: „ihre innere Leere, die sie durch die Manipulation anderer kompensiert“, sagt Müller-Elmau. Und letztlich, so der Regisseur, richtet sich ihre Vernichtungslust gegen sie selbst: als Todessehnsucht, die am Ende an ein suizidales Ziel kommt.

Das unerträgliche Verhalten einer psychisch angegriffenen Frau, die Hilflosigkeit ihrer Umgebung, die Kommunikationslosigkeit innerhalb eines gesellschaftlichen Beziehungsgeflechts, wo jeder in seiner eigenen Welt zu leben scheint: Für Müller-Elmau erzählt das 1890 entstandene Drama eine Geschichte von heute. „Im Kern geht uns das Stück sehr nahe“, sagt er. Und damit dieser Kern den Zuschauern auch wirklich nahekommt, hat Müller-Elmau das Original in eine modernisierte Fassung umgeschrieben: die Sprache auf heutigen Umgangston gestimmt, ohne den Charakter einer Kunst- und Bühnensprache zu verleugnen; den zeittypischen Ballast des späten 19. Jahrhunderts abgelegt. Dienstmädchen und Tesmans Tante Juliane sind gestrichen, die zum Verständnis nötigen Passagen ihrer Rollen auf andere Figuren übertragen. Als Fünf-Personen-Stück spielt das Geschehen im Rohbau des neuen Tesman-Heims - das Bühnenbild stammt von Müller-Elmau selbst -, als wortlose sechste Stimme kommt eine Cellistin ins Spiel: Ausdruck der rätselhaften Emotion in all der worteichen Sprachlosigkeit.

Die Premiere beginnt an diesem Samstag um 19.30 Uhr im Esslinger Schauspielhaus. Nächste Vorstellungen: 26. September, 7., 14. und 19. Oktober, 8. und 17. November.