Eine Künstlerin, die sich immer wieder neu erfand: Rosalie Foto: D. Mayer Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart -Sie verwandelte Plastikeimer in Regenbogen, Warnblinklampen in Feuerzauber oder Einkaufswagen zu turmhohen Bergen, sie schuf fantastische Landschaften aus Baumarkt-Zutaten, ließ Licht in den wildesten Farben durch Schläuche oder Flächen fließen: Die Bühnenbildnerin und Objektkünstlerin Rosalie ist am Montag nach kurzer, schwerer Krankheit in Stuttgart gestorben. Die Landeshauptstadt war ihr Lebensmittelpunkt, hier hatte sie studiert, hier war ihr Atelier.

Rosalie, wie sie sich nach ihrem Bühnenbildprofessor Jürgen Rose nannte, inszenierte Innen- und Außenräume, sie schuf großformatige Installationen aus Material und aus Licht, Skulpturen, Objekt- und Figurenkonzepte, sie stattete Opern, Ballette und mit Vorliebe auch experimentelle Konzerte aus. Als Gudrun Müller wurde sie 1953 in Gemmrigheim am Neckar geboren, in Stuttgart studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte, Malerei und schließlich Bühnenbild.

Viele ihrer frühen Arbeiten entstanden fürs Stuttgarter Ballett, hier arbeitete sie mit dem jungen Choreografen Uwe Scholz zusammen, mit dem sie eine lebenslange Freund- und Arbeitspartnerschaft verband. „variation -1“, ihr erster gemeinsamer Riesenerfolg von 1983, wurde unendlich oft gezeigt, die Hauptrolle tanzte damals Tamas Detrich, heute der designierte Ballettchef. Später arbeitete sie beim Bayerischen Staatsballett oder sehr gerne mit Martin Schläpfer beim Ballett am Rhein. Sie schuf auch dort Bühnenbilder, die sich bewegten und öffnete den Bühnenraum weit, hing riesige, in sich changierende Skulpturen an die Decke. Gegen Rosalies überwältigende Fantasie war nur schwer anzukommen: weil ihre monumentalen Installationen manchmal Tanz und Gesang an den Rand drängten, verblassten viele Regisseure und Choreografen neben ihren Ideen.

Bayreuther „Designer-Ring“

Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ etwa, den sie 1994 im Bayreuther Festspielhaus ausstattete, heißt heute „Rosalie-Ring“ oder, ungerechterweise, etwas abwertend auch „Designer-Ring“. An den damaligen Regisseur Alfred Kirchner erinnern sich deutlich weniger Wagnerianer, kein Wunder bei einem Waldweben aus sanft wogenden grünen Regenschirmen, einem strahlenden Regenbogen für die Götter aus bunt beleuchteten Eimern.

Rosalie, die eigentlich ihren Namen klein geschrieben haben wollte, liebte die zeitgenössische Musik, sie arbeitete mit Detlev Glanert, Wolfgang Rihm oder Adriana Hölszky zusammen, stattete szenische Konzerte mit ihren Lichtinstallationen aus.

Als Objektkünstlerin ließ sie knallbunte „Flossies“, überdimensionale Spielzeugmännchen an Fassaden hochklettern, ihre farbenfrohen Hasen- oder Gießkannen-Skulpturen finden sich im Scharnhauser Park in Ostfildern, die „Regenbogen-Lippen“ vor der Filharmonie in Bernhausen. Auch am Badischen Staatstheater und am Karlsruher ZKM arbeitete sie oft. Bis Anfang Juli ist noch die begehbare kinetische Lichtskulptur „Lichtwirbel“ im Schauwerk Sindelfingen zu sehen.

Den Hang zu kühnen, überdimensionierten Bildern hatte Rosalie von Beginn an, aber sie erfand sich immer wieder neu, wurde gewagter in ihren Entwürfen und war ständig neugierig auf unbekannte Materialien. Sie entnahm Industrieprodukte, Gerätschaften aus dem Baumarkt, Dinge des täglichen Lebens aus ihrem Gebrauchszusammenhang, abstrahierte sie und wies auf die reine Form hin - um dann neue, überwältigende Bilder aus diesen Formen zu schaffen. Immer stärker spielte das Licht eine Rolle in ihrem Werk und wurde dann zum Zentrum ihres Schaffens, mit neuester Technologie in dünnen, spiraligen Lichtfasern oder auf digitalen Farbflächen, die sich, als Installation verbunden, gegeneinander bewegten und auch noch in sich changierten. Es waren Kunstwerke, eigentlich viel zu wertvoll, um nach acht oder zehn Aufführungen wieder zu verschwinden.

Installation in der Elbphilharmonie

Seit 1995 hatte Rosalie einen eigenen Lehrstuhl für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach inne, über ihre Kunst sind mehrere Bildbände erschienen. Eines ihrer letzten Werke war eine Lichtinstallation in der neuen Elbphilharmonie zu Gustav Mahlers „Symphonie der Tausend“, am kommenden Samstag hat in Leipzig eine Neuinszenierung der „Salome“ von Richard Strauss Premiere, für die sie noch die Ausstattung entwarf. Es steht zu hoffen, dass ihre Liebe zum Licht auch zukünftige Theaterschaffende erleuchtet.

Im Schauwerk Sindelfingen (Eschenbrünnlestraße 15/1) ist noch bis zum 2. Juli Rosalies Rauminstallation „Lichtwirbel“ zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags von 15 bis 16.30 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr.