Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla Foto: dpa/Benjamin Ealovega - dpa/Benjamin Ealovega

Mit der Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla und dem Solisten Kit Armstrong fanden zwei gleich klingende Seelen zueinander. Das musikalische Ergebnis erzeugte eine Spannung, die einen beim Zuhören den Atem anhalten ließ.

StuttgartNoch ist ein leises Zittern in der Stimme des Konzertveranstalters. Das City of Birmingham Symphony Orchestra, also der Klangkörper, bei und mit dem Simon Rattle und zuletzt auch ein bisschen Andris Nelsons ihre Weltkarriere als Dirigenten begannen, hat schon Platz genommen auf der Bühne des Beethovensaals, als Michael Russ dem Publikum erklärt, warum an diesem Donnerstagabend alles doppelt anders ist als geplant. Nach der Absage von Yuja Wang hatte man Patricia Kopatchinskaja als Solistin verpflichtet – und nach deren kurzfristiger Absage hat Kit Armstrong zugesagt. Dass dieser Pianist anschließend Schumanns Klavierkonzert als hochdifferenziert ausgearbeiteten Dialog mit dem Orchester präsentiert, liegt daran, dass er recht eigentlich kein Einspringer ist: Der 27-Jährige hat das Stück schon an den beiden Tournee-Abenden zuvor gemeinsam mit der seit 2016 in Birmingham amtierenden jungen litauischen Chefdirigentin Mirga Grazinyte-Tyla aufgeführt. Aber das ist nur der eine Grund für die Sensation, die sich in diesem Konzert ereignet. Der andere ist, dass hier schlicht zwei gleich klingende Seelen zueinander fanden.

Schumanns Konzert beginnt so langsam, dass man Takt für Takt das Zerbrechen erwartet. Vergebens, zum Glück. Dynamik und Tempi werden in jedem Takt neu verhandelt; das Stück, das im Orchestersatz sonst oft so soßig klingt, ist hier fast Kammermusik, vor allem im Dialog des Flügels mit den Solobläsern. Die Lust an der feinen Ausgestaltung klangfarblicher Details, die schon zuvor bei Ravels „Tombeau de Couperin“ zu hören war, prägt auch hier den Zugriff der 29-jährigen Dirigentin, die ihre Musiker mit kleinen, klaren, dabei sehr weichen Bewegungen führt – und die viel Ohrenmerk auf eine bewegliche Phrasierung bei den Streichergruppen legt. So fährt Atem, pralles Leben hinein in die Fläche. Und Spannung, die einen beim Zuhören den Atem anhalten lässt. Schumanns Werk hätte zehn Sätze haben können, man hätte ihm weiter und immer weiter gebannt gelauscht.