Ganz eins mit ihrer Gitarre: Katie Melua gibt sich feinfühlig. Foto: dpa/Alexandra Wey - dpa/Alexandra Wey

Zum Auftakt ihrer Deutschlandtournee gibt sich Katie Melua vor allem melancholisch und zurückhaltend. Selbst mit ihren eigenen Songs lullt sie mit Wohligkeit und Glückseligkeit ein – immerhin auf sehr elegante Weise.

Stuttgart Katie Melua betritt mit umgeschnallter Akustikgitarre die Bühne, die 34-Jährige trägt ein rotes, knöchellanges Kleid, und ohne viel Federlesen stimmt sie feinfühlig ihren ersten Song an: „Belfast (Penguins and cats)“. Der zarte Klassiker gibt perfekt den Ton an für die folgenden knapp 90 Minuten. Meluas Ausstrahlung ist bezaubernd, aber nicht übertrieben, ihr Gesang voller Herzblut ist engelhaft und berührend, auch wenn die ätherisch schöne Stimme anfänglich unter einer schlechten Klangabmischung leidet.

Es ist ein friedfertiger Einstieg der 1984 in Georgien geborenen Britin – das genaue Gegenteil vieler explosionshafter Openings. Ganz so, als wolle sie dem Publikum in der Liederhalle nicht gleich den Weg aus der Bequemlichkeit weisen, in der es sich über 2000 Fans nach unsäglich esoterischem Elfengesang im Vorprogramm eingerichtet haben. Umso größer, weil negativer ist die Aufrüttelung, als die Sängerin anschließend „Wonderful Life“ auf ihre ganz eigene Art und Weise covert. Black hat diese Songperle zum großen Drama veredelt, Meluas Version kommt wie ein feiner Sprühregen daher, der einen weder nass macht noch erfrischt. Wie ein flauschiges Wattebällchen weht später, als erste Zugabe, auch das solo zelebrierte Shirley-Bassey-Cover „Diamonds are forever“ daher: das Ohr zart streichelnd – aber es fehlt die James-Bond-Wucht. Andererseits gerät ihr die Deutung von Leonard Cohens „In my secret Life“ betörend.

Meluas leises Konzert mäandert durch Pop, Jazz, Soul und Blues, garniert teilweise mit rockigen Rhythmen, wobei der Canned-Heat-Bluesklassiker „On the Road again“ nur instrumental rockt, nicht aber stimmlich, denn dazu fehlt ihr das Dreckige in der Klangfarbe. Das Publikum wird dennoch zum ersten – und einzigen – Mal aus der Reserve gelockt. Für Judas-Priest-Fan Melua ist Musik ein weites und großzügiges Feld, zum Auftakt ihrer Deutschlandtournee jedoch vor allem ein melancholisches und zurückhaltendes. Selbst mit ihren eigenen Songs lullt sie mit Wohligkeit und Glückseligkeit ein - auf sehr elegante Weise. Mit „Call off the Search“, „Maybe I dreamt it“ und einem in ihrer georgischen Muttersprache gesungenen Traditional (unter dem englischen Titel „If you are so beautiful“) hat sie einige solcher seelenvollen Tränendrüsen-Balladen beziehungsweise Lounge-Songs im Programm. Bereits ihr Hit „Nine Million Bicycles“, den sie mit 21 geschrieben hat, ruft die Art von andächtiger Stille hervor, die normalerweise für sakrale Momente reserviert ist. Egal, das Publikum ist aufmerksam und hört schweigsam zu. Ein ums andere Mal hätte man eine Stecknadel im Beethovensaal fallen hören können. Der schwärmerische Applaus gleicht der entspannenden Ausatmung. So wogt der intime Auftritt sanft hin und her. Alles, was irgendwie stört, wird tunlichst vermieden. Vor ein paar Jahren hatten ein paar eher mittelkluge Manager die abstruse Idee, aus dem hochbegabten Talent Melua ein Pop-Nymphchen zu machen. Die Musik wurde flacher, die Konzerte steril, bis Melua selbst die Reißleine zog. In Stuttgart zeigt sie, dass sie angekommen ist: bei sich, ihrer Bestimmung, die in Ausdruck und Gestik in Richtung klassischer Gesang geht, und der eigenen Musik. Wie im episch dröhnenden „The Flood“ mit seinen arabesken Rhythmen. Oder in „I cried for you“. Das ist großes Gesangskino – das Konzert insgesamt ein leicht-luftiges Sommermenü. Meluas vierköpfige Begleitband, aus der einzig ihr jüngerer Bruder Zurab an der Gitarre einen Schritt ins Rampenlicht machen darf, serviert dazu brav bis zu brav die Zutaten. Es perlt, aber es sprudelt nicht. Nichts soll den gefälligen, teilweise allzu harmlosen Wohlklang gefährden. Am Ende passiert genau das. Nachdem sie mit dem Zeitlupen-Liebeslied „The closest thing to crazy“ aus der Feder von Mike Batt, das 2003 ihren Durchbruch bedeutete, und dem meisterhaft vorgetragenen Janis-Joplin-Cover „Kozmic Blues“ reüssierte, verabschiedet sich Melua mit „What a wonderful World“. Und tätigt einen Missgriff: Louis Armstrongs Interpretation wird die Ewigkeit überdauern – die von Melua gewiss nicht. Manchmal kann das Leben – bei aller klaren, seelenvollen Stimme – auch nur ein bisschen schön sein.