Foto: Roman Novitzky - Roman Novitzky

Kenneth MacMillans Tanzdrama über den Tod des österreichischen Kronprinzen Rudolf ging bisher in recht verstaubter Ausstattung über die Bühne. Für das Stuttgarter Ballett schafft nun Altmeister Jürgen Rose, der einst eng mit John Cranko zusammenarbeitete, ein neues Bühnenbild und neue Kostüme. Premiere ist am Samstag, 18. Mai, im Opernhaus.

StuttgartEs verspricht ein Event zu werden, die halbe Ballettwelt hat sich angesagt: Am Samstag feiert Kenneth MacMillans Werk „Mayerling“ Premiere beim Stuttgarter Ballett. Es ist keine Uraufführung, das Stück existiert seit 41 Jahren und wurde bei Gastspielen auch schon in Deutschland gezeigt. Zum Ereignis wird der Abend, weil man in Stuttgart nicht die gewohnte Produktion vom Royal Ballet zeigt, wo der Bühnen- und Kostümbildner Nicholas Georgiadis eine monumentale Ausstattung aus Samt, Brokat und Plüsch entworfen hatte, ein Bühnenbild der Art, das man heute nur mit dem Prädikat verstaubt bezeichnen kann. Für Stuttgart wird alles lichter, feiner, subtiler. Das weiß man schon jetzt, ohne einen Blick auf die Neuproduktion geworfen zu haben, denn der neue Ausstatter heißt Jürgen Rose.

Einst Bühnenbildner John Crankos

Der legendäre Bühnen- und Kostümbildner John Crankos, der mit „Romeo und Julia“, „Onegin“, „Die Kameliendame“ und „Dornröschen“ den Grundstock des Stuttgarter Ballettrepertoires ausgestattet hat, ließ sich trotz seiner 81 Jahre noch einmal überreden, ein komplettes Handlungsballett zu entwerfen, das erste nach fast 30 Jahren – allein das ist ein Ereignis. Tamas Detrich, seit dieser Spielzeit neuer Intendant der Kompanie, wollte ins Stuttgarter Repertoire unbedingt einen Abendfüller von Kenneth MacMillan holen, der damals in London ein enger Freund John Crankos war. Für Stuttgart schuf MacMillan mit „Das Lied von der Erde“ eines seiner besten Werke, später wurde er in London Direktor des Royal Ballet und ein maßgeblicher Choreograf der britischen Tanzgeschichte.

„Mayerling“ erzählt den Skandal um den Selbstmord des österreichischen Thronfolgers Rudolf, Sohn von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Der Kronprinz, eigentlich ein liberal denkender Mensch, war labil, todessüchtig und drogenabhängig, als er 1889 im Jagdschloss Mayerling zuerst seine junge Geliebte Mary Vetsera und dann sich selbst erschoss. MacMillan zeigt Rudolf als Provokateur, überwacht von den Hofschranzen, gefangen in einer politischen Ehe, zurückgewiesen von der eigenen Mutter, beeinflusst von ehrgeizigen Offizieren. Es ist eine der monumentalsten Rollen des modernen Ballettrepertoires, der verzweifelte Rudolf hat reihenweise große, schwierige Pas de deux mit verschiedenen Partnerinnen zu tanzen, jongliert mit Totenschädeln, Pistolen und Morphiumspritzen. Friedemann Vogel, der Prinz par excellence, tanzt die Premiere.

Auch in Stuttgart wird „Mayerling“ eine Ausstattungsorgie werden, 198 Kostüme hat Rose entworfen. Marcia Haydée hat ihn dazu überredet und Rose aus der wohlverdienten Ruhe auf seinem bayerischen Hof gelockt – dafür verpflichtete er sie, die Kaisermutter Sophie zu spielen, neben Egon Madsen als Franz Joseph. Beide hatte er vor über 50 Jahren bereits für die Uraufführung von „Onegin“ eingekleidet. Rose stürzte sich mit dem ihm eigenen Ehrgeiz in die Arbeit und recherchierte bis ins Detail, besuchte all die historischen Stätten in Wien, las sämtliche Biografien und Bücher, kaufte echte Kutschen, Möbel und Lederhosen. Sein größtes Problem: „Ich hatte keinen Ansprechpartner!“ Kenneth MacMillan starb 1992 während einer Aufführung von „Mayerling“ in London. Jürgen Rose aber braucht den Dialog mit Regisseur oder Choreograf, die direkte Arbeit am Objekt.

Lob für Stuttgarter Werkstätten

Seit 1978 sind tatsächlich neue Details über die historischen Ereignisse bekannt geworden. Rose verfolgt bei aller historischen Kostümpracht einen eher minimalistischen Ansatz: „Ich mache alles nur schwarzweiß“. Das stand ihm angesichts der historischen Fotos in Grau- und Sepia-Farben spontan vor Augen. In den Kostümen gibt es dann doch ein paar Farben, schon um die verwirrend vielen Frauen um Rudolf zu charakterisieren. Der Ausstatter schwärmt in den höchsten Tönen von den Werkstätten der Staatstheater, wo man seine berüchtigte Pingeligkeit aushalten müsse und doch von seiner Begeisterung mitgerissen sei. Lange hat Rose nicht mehr in Stuttgart gearbeitet: „Es ist ein bisschen so, als ob ein verlorener Sohn zurückkommt. Es ist rührend, wie ich ein ganzes Haus hinter mir habe. Das ist schon toll, dass man nur durch seine Person so einen Zusammenhalt findet, auch wenn’s kompliziert und hektisch wird. Ich weiß im Moment kein Theater, wo ich das so bekommen würde wie hier.“ Wie das Stuttgarter Ballett das alles bezahlt, weiß er auch nicht, aber was Jürgen Rose macht, bleibt für die Ewigkeit – siehe seine „Kameliendame“, im gleichen Jahr entstanden wie „Mayerling“; und doch – gerade wieder auf der Bühne zu sehen – nach 41 Jahren noch immer von zeitloser Schönheit.

Die Premiere von „Mayerling“ beginnt an diesem Samstag, 18. Mai, um 19 Uhr im Stuttgarter Opernhaus statt. Weitere Termine: 24., 25., 28. Mai, 1., 8., 9. Juni (nachmittags und abends), 28. Juli.