John Fogerty Foto: Thilo Ortmann - Thilo Ortmann

Gern wettert er gegen Donald Trump, in Winterbach ließ der inzwischen 73-jährige US-Amerikaner aber die Musik sprechen. Spielfreudig und aufgekratzt gab sich die Rock-Legende, die einst bei Creedence Clearwater Revival neun Top-10-Hits schrieb.

WinterbachLediglich drei Konzerte spielt Rock-Legende John Fogerty in diesem Jahr in Deutschland – eines davon in Winterbach. Deshalb dürfen sich die Macher des dortigen Zeltspektakels als einer seiner Gastgeber auf die Schultern klopfen. Der Ehre wegen, aber auch, weil sie 4000 Fans ein fantastisches, energiegeladenes Konzert servierten. Spätestens als Fogerty im blauen Jeanshemd, mit rotem Halstuch und Wuschelkopf die Bühne entert, ist die Erfüllung des lang gehegten Wunsches wahr geworden. 73 ist Fogerty mittlerweile, in Berkeley, Kalifornien geboren – und ein Glückspilz. Der US-Amerikaner hat Musikgeschichte geschrieben, viele seiner Songs sind Teil der Rock’n’Roll-DNA geworden. Während seiner fünfjährigen Regentschaft bei Creedence Clearwater Revival schrieb er neun Top-10-Hits und sammelte unglaubliche acht Goldalben. Lieder wie „Bad Moon Rising“ oder das hart rockende „Fortunate Son“ wirken auch in Winterbach nach und zeigen, wie stark das CCR-Songbook ist.

„Who’ll stop the Rain“ intoniert er auf einer 50 Jahre alten Rickenbacker-Gitarre, die er bereits in Woodstock spielte. Was wenige wissen – da CCR weder im berühmten Woodstock-Film zu sehen noch auf dem Soundtrack zu hören sind – ist, dass die Band beim legendären Festival zwischen den Gigs von The Grateful Dead und Janis Joplin auftrat. 50 Minuten lang. 1969, auf dem Höhepunkt der Hippie-Bewegung, feuerte CCR aus allen Rohren.

Noch heute ist Fogerty einer, der seinen Mund aufmacht und gegen US-Präsident Trump wettert. In Winterbach freilich behält er seine politischen Ansichten bis auf eine von seinem Sohn Shane ungemein verzerrt gespielte US-Nationalhymne in Jimi-Hendrix-Manier für sich und lässt allein die Musik sprechen. Beispielsweise das rauhe „Travelin’ Band“, mit dem er furios startet und das auch gut von Little Richard oder den Beatles stammen könnte. Das sich anschließende „Green River“ veredelt er mit einem lebhaften Gitarrensolo. Seine Saitenarbeit erreicht überhaupt unglaubliche Höhen, Fogerty zeigt sich in bemerkenswert spiellauniger Form. Wie aufgekratzt fegt er über die Bühne. Wo Kollegen seiner Generation in den Ruhestand gehen, scheint Fogerty erst richtig aufzublühen, getreu seinem Credo: „Wenn ich aufhören würde, mit den Flügeln zu schlagen, würde ich auf die Erde fallen und abstürzen und brennen.“ Songs wie „Suzie Q.“, im Original von Dale Hawkins, verleiht er danach selbst Flügel.

Seine Meisterschaft als Songwriter und seine Mischung aus Rock, Country, Delta-Blues und Beat basiert auf Fogertys Prämisse der Einfachheit. „Hey Tonight“, „Down on the Corner“ oder das von Ike und Tina Turner so brillant gecoverte „Proud Mary“ als eigentlich letzte Zugabe werden mit der Leidenschaft einer Garagenband zelebriert. Fogerty mutiert unterm restlos ausverkauften Zeltdach zu jenem Jungen, der sich in den Rock’n’Roll verliebte, als er den US-amerikanischen Elvis-Presley-Gitarristen Scotty Moore in einer Jukebox mit dem Presley-Cover „My Baby left me“ hörte. Der Geist von damals ist noch heute ansteckend, Fogerty zeigt sich unermüdlich und kantig – und seine Stimme schnarrt noch immer wie einst: fesselnd.

Mitten im Konzert setzt er einen Block aus Coversongs, mit denen er sein eigenes hippieskes Woodstock-Revival feiert. Mit Songs, die teils in Bethel gespielt wurden: „With a little help from my friends“ von den Beatles, das den Durchbruch von Joe Cocker bedeutete, oder das herausragend funkige „Dance to the Music“ von der Soulband Sly & the Family Stone. „Give Peace a Chance“ wurde zwar nicht in Woodstock präsentiert, aber John Lennon schrieb damit kurz vor dem Festival das Friedenslied aller Love & Peace-Songs.

Alle Songs gehen in rasant-rockigen Versionen über die Bühne, dank einer herausragenden Band samt Bläsern und Backgroundsängerinnen, die bei Bedarf auch herrlich aufdrehen können, etwa bei „Keep on Chooglin’“, einem der Konzert-Höhepunkte. Mit Shane, der die Rhythmusgitarre spielt, liefert sich der sichtlich stolze Vater bei „Blueboy“ ein forderndes Duell, eine Art Western-Shootout auf der Mainstreet. Insgesamt schießt Fogerty nahezu 30 Songs aus den Läufen seiner Gitarren heraus. „The old Man down the Road“ gegen Ende des regulären Sets ist eine Erinnerung an die Zeit, als er wegen Plagiats seiner eigenen Arbeit angeklagt worden war. „Rockin’ all over the World“ als erste Zugabe ist, neben „Proud Mary“, vielleicht das beste Beispiel für Fogertys musikalische Größe. Erst in den Händen von Status Quo wurde der Song zur Legende.

Ein Rätsel lüftet Fogerty bei seiner zweistündigen Zeitreise 50 Jahre zurück auch in Winterbach nicht. Als er, sein 1990 verstorbener Bruder Tom, Stu Cook und Doug Clifford CCR in El Cerrito, Kalifornien, gründeten, lebten sie 2000 Meilen von Cajun Swampland, der Gegend um New Orleans herum, entfernt. Wie konnten sie da so fantastische Hoodoo-Songs schreiben wie das zerlumpt-nervöse „Born on the Bayou“, das sumpfige „Run through the Jungle“ oder die bluesige Südstaaten-Ballade „Long as I can see the Light“? Mit Songs wie diesen kommt im schwül-heißen Zelt ein kleines Gefühl von Mardi Gras auf. Fogertys Songs sind fast alle Klassiker. Er selbst ist ein Klassiker. Es gibt nur wenige Rockmusiker, die ihm das Wasser reichen können. Am Ende haben Fans und Fogerty so viel Spaß, dass er gar nicht mehr aufhören will, mit den Flügeln zu schlagen.