Schüler tanzen Ausschnitte aus „Najade und der Fischer“. Foto: Stuttgarter Ballett - Stuttgarter Ballett

Die Absolventen der Stuttgarter Ballett-Akademie tanzen europaweit in Kompanien.

StuttgartDie Kernkompetenz, also die reine, akademische Klassik, steht dieses Mal im Mittelpunkt der alljährlichen Matinee der John-Cranko-Schule. Die Ballettschüler zwischen sieben und 19 Jahren zeigen weniger moderne Stücke, sondern demonstrieren die wichtigen Grundlagen ihres Berufs: exakte, gerade Linien, sichere Balancen, saubere Sprünge und Drehungen, eine feine, aus der Musik geformte Phrasierung.

Selbst die Kleinsten bewegen sich bereits musikalisch und völlig exakt zu Musik von Antonio Vivaldi. Vielleicht steht ihnen bei einem Auftritt aber doch ein freches, modernes Stück noch besser als die Goldröckchen. Ein Werk wie „Test Run“ etwa, eine von gleich drei Novitäten, die Akademieabsolventin Tabitha Dombroski für ihre Kollegen der oberen Klassen schuf. Die bewegen sich in dem modernen Ballettstil gleich viel gelöster. Die Neuseeländerin stellt die virtuosen und sogar akrobatischen Fähigkeiten ihrer Mitschüler heraus, sie lässt vor allem natürlich und jung aussehen.

Auch ihr Duo „Meditative State“ war originell, tanzten die zwei Herren doch zu einer gesprochenen Meditationsanleitung. Wer schon mit 19 Jahren so organisch Schritte aneinandersetzt und die klassischen Bahnen aufbricht, dem, oder in dem Fall: der steht die Zukunft als Choreografin weit offen.

Zu „Air!“, hochmusikalisch und mit einer souveränen Professionalität getanzt von den Akademieklassen, kommt in diesem Jahr noch ein weiteres Ballett von Uwe Scholz, dem viel zu früh verstorbenen Alumnus und Hauschoreografen des Stuttgarter Balletts. Auch in Ausschnitten aus „Die Schöpfung“ erweist sich seine reine Neoklassik als perfekte Folie für die Fähigkeiten der Schüler, mag sie auch wahrlich nicht einfach zu tanzen sein.

Sechs der Schüler verstärken zukünftig das Stuttgarter Ballett, andere wechseln in renommierte europäische Kompanien. Die Qualität der Stuttgarter Cranko-Schule bleibt also herausragend, mit Absolventen wie diesen dürfte sie ihren Platz als beste deutsche Ballettakademie behaupten – mit Alessandra Bramante etwa und ihrer bombensicheren Standfestigkeit, mit dem Australier Alexander Smith und seiner Ausrüstung zum Herzensbrecher, mit der samtenen Lyrik von Yuki Wakabayashi. Sie alle haben besondere Qualitäten, ihre eigene Persönlichkeit, alle sind bereits in jungen Jahren große Künstler.

Dass mit Gabriel Figueredo ein weiterer männlicher Topstar aus der Stuttgarter Cranko-Schule erwächst, war in seinem Solo aus Scholzens „Schöpfung“ zu bewundern. Er tanzt beseelt, mit feinster Phrasierung, entfaltet seine langen, hohen Beine mit Sinn für die Schönheit ihrer Linien. Ballettintendant Tamas Detrich könnte ihn eigentlich nahtlos in der nächsten Spielzeit als Prinz in „Dornröschen“ besetzen.

Das gleiche Programm ist am kommenden Sonntag von 11 Uhr an noch einmal zu sehen – und wird dann auch als „Ballett im Park“ kostenlos auf eine Großleinwand am Eckensee im Stuttgarter Schlossgarten übertragen. Bereits am Samstag, also am Abend zuvor, wird dort von 19 Uhr an, ebenfalls bei freiem Eintritt, „Shades of White“ vom Stuttgarter Ballett gezeigt, der dreiteilige Abend mit klassischen Choreografien von John Cranko, Marius Petipa und George Balanchine.

Die Vision eines Visionärs

Historie Als John Cranko 1961 nach Stuttgart kam, führte er die Ballettcompagnie der Staatstheater Stuttgart zu Weltruhm. Crankos Idee, in Stuttgart eine Ausbildungsstätte für Nachwuchstänzer zu schaffen, wurde zehn Jahre nach der Gründung des Stuttgarter Balletts Wirklichkeit: Die im Jahr 1974 nach ihm benanntem Schule wurde 1971 eingeweiht. 1973 bekamen die beiden letzten Klassen, die sogenannten Theaterklassen, den Status einer Staatlichen Ballettakademie. Absolventen konnten – erstmals in Westdeutschland – ein staatliches Diplom erhalten.

Weitere Infos zum Ballett im Park unter www.stuttgarter-ballett.de