Ritter sein ist im Wortsinne schwer, erfahren die jungen Besucher: Helm und Kettenhemd haben ihr Gewicht. Quelle: Unbekannt

Von Dietrich Heißenbüttel

Stuttgart - „Kinder liegen dem Landesmuseum besonders am Herzen“, sagt dessen Direktorin Cornelia Ewigleben. Weil dem so ist, gibt es nun zum zweiten Mal nicht nur ein Zusatzangebot im Jungen Schloss, sondern eine ganze Ausstellung für ein Publikum im Alter von vier bis zehn Jahren: auf 1000 statt 400 Quadratmetern, mit rund 150 überwiegend originalen Objekten des hohen Mittelalters in Vitrinen, vor allem aber mit rund 60 Mitmachstationen. Unten im Foyer warten bereits mit niedlichen großen Augen die Maskottchen Trixi und Hugo, das gekrönte Schlossgespenst und die Eule, von Kindern selbst so getauft. Im dritten Stock empfängt die jungen und älteren Besucher ein landschaftliches Panorama, mit - natürlich - auf jedem Berg einer Burg.

Mauer und Burggraben in der gemalten Landschaft setzen sich in der Eingangswand und auf dem Boden fort, wo über dem angedeuteten Gewässer eine hölzerne Zugbrücke liegt. Links steht ein kindgroßer Playmobil-Ritter - obwohl Playmobil nicht zu den Sponsoren der Ausstellung gehört. Drinnen dann die Attraktion: Ein riesengroßes Tretrad dient dazu, wie auf einer mittelalterlichen Baustelle Lasten anzuheben. Auf einer Trage können Kinder zu zweit Steine transportieren, um daraus einen Bogen zu mauern. Das mittelalterliche Handwerk, der Burgenbau und der Aufbau einer Burg lassen sich so spielerisch erfahren.

Menschliche Ränge und Bedürfnisse

Es folgt die Kemenate mit mittelalterlichem Ehebett, Kachelofen und einer Ständepyramide, in der die jungen Knappen und Burgfräulein sich gleich ihrem Rang entsprechend einsortieren können. Auch die Geschlechterrollen sind klar verteilt. Von hinten beleuchtete Landschaften in den Fensternischen verdeutlichen, woher in der Burg das spärliche Licht kam, das Tätigkeiten wie Lesen oder Sticken erst ermöglichte. Ein Aborterker zeigt, wie das menschliche Bedürfnis verrichtet wurde. Küchenkräuter und ein elektrisch flackerndes Feuer geben einen Eindruck von einer mittelalterlichen Herdstelle.

Dazwischen sind in den Vitrinen Originalobjekte zu begutachten: etwa ein tierförmiges Gießgefäß; ein Kerzenleuchter auf dem Rücken eines Drachen; Gürtelschnallen und Mantelschließen; Kinderspielzeug aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.

Im Zentrum steht der multifunktionale Rittersaal. Unter den Wappen an der Wand finden sich nebst Eule Trixi die Hirschstangen der Württemberger. Ornamente geben dem Raum ein mittelalterliches Flair, auf dem Ofengesims sitzt eine Maus. In der Waffenkammer dürfen natürlich originale Schwerter und Pfeilspitzen nicht fehlen. Die Rekonstruktion eines in der Vitrine ausgestellten Nasenhelms können sich die jungen Besucher aber auch selbst aufsetzen und so erfahren, welches Gewicht so ein Ritter auf dem Kopf mit sich herumtrug. Auch das im Hochmittelalter übliche Kettenhemd, das sie ebenfalls anprobieren können, ist nicht ganz leicht. Aber doch nichts gegen die Ganzmetallrüstung, die heute das Bild des Ritters bestimmt, in Wirklichkeit aber erst im Zuge des Turnierwesens im Spätmittelalter aufkam.

Die meisten original mittelalterlichen Objekte sind in der Burgkapelle zu besichtigen: unter anderem ein Vortragekreuz, ein emailliertes Reliquienkästchen aus Limoges und eine Elfenbein-Pixis. Für Kinder mag dies nicht der interessanteste Teil der Ausstellung sein, er wird ihnen aber als Ort des zeremoniellen Ritterschlags ans Herz gelegt. Anschließend können sie sich dann auf die bereit stehenden kleinen Pferdchen schwingen, die ihren Körperbewegungen folgend vorwärts hoppeln. Die Lanzen, die für das Turnier bereit liegen, sind so weich wie sie nur sein können. Dass sich damit niemand vom Pferd stoßen lässt, merkt jeder. So werden sie eher verwendet, um wild damit herumzufuchteln. Auch das Thema der Jagd kommt zur Sprache. Zu diesem Zweck sind originale Tierpräparate aus dem Naturkundemuseum ausgestellt. Mit neuen Medien geht die Ausstellung übrigens sparsam um: Kinder brauchen etwas zum Anfassen, meint Ewigleben.

Wer meint, dass so eine Kinderausstellung das Museum nicht viel koste, wird von der Direktorin eines anderen belehrt: Die aufwendige Raumgestaltung mit hochwertigen Materialien, die Spezialkonstruktionen der Pferdchen, das Kranrad, die Beleuchtungseffekte - all das und noch mehr summiert sich auf rund eine Million Euro. Ein hoher Aufwand also, um unter Mithilfe zahlreicher Sponsoren wieder so viele junge Besucher ins Haus zu locken wie schon im Winter 2008/09 bei der ersten großen Kinder-Mitmachausstellung über Piraten. Nach den bisherigen Rückmeldungen könnte dies zu gelingen: Die heutige Eröffnung ist bereits komplett ausgebucht.

Bei der Vorbereitung haben die Kuratoren Karin Birk und Christoph Fricker immer wieder einen Kinderbeirat befragt, um zu prüfen, ob ihre Ideen auch ankommen. Da Kinder auf leblose Exponate wenig anspringen und sich lieber selbst betätigen, sind die vielen Veranstaltungen ein wesentlicher Teil des Programms. Neben Familienführungen jeden Sonntag um 10.30 Uhr gibt es zwei, drei weitere Termine pro Woche - auch für Mama und Papa. Denn die Ausstellung soll, wie Ewigleben betont, keinesfalls dazu dienen, dass Eltern ihre Sprösslinge nur abliefern.

Bis 8. April 2018. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.