Kettenglieder und Goldenes Vlies: Ines Skirdes Plochinger Ausstellung. Foto: Eberle - Eberle

Die Stipendiatin des Landkreises Esslingen zeigt Arbeiten, die sich mit Verbindungen und Verknüpfungen befassen und dabei auch in den antiken Mythos vorstoßen. Mit der Schau beginnt die Serie von vier Abschlussausstellungen der neunten Stipendiatengeneration.

PlochingenWann werden Geschichten umgeschrieben, damit sie dem Erzähler nützen? Was ist tatsächlich, und was wirkt nur so? Was wirft sich in Schale und verbirgt damit nur einen weichen Kern? Fragen wie diese stellt die Künstlerin Ines Skirde dicht an dicht. Eine kleine Auswahl ihrer Arbeiten ist jetzt im Kulturpark Dettinger in Plochingen zu sehen. Es ist die erste in der neuen Serie von vier Abschlussausstellungen der Stipendiaten des Landkreises Esslingen. Aktuell verabschiedet sich die neunte Stipendiatengeneration nach drei Jahren Arbeit und Austausch.

Bei ihrer Antrittsausstellung vor drei Jahren nutzte Ines Skirde eine 50 Meter lange Kette zum Aufhängen einer Fahnen-Installation. Am Thema Kette ist sie hängen geblieben. Und sie baut dem Schein einen Schrein. Abgetrennt wie ein OP-Bereich durch ein provisorisches, grünes, offenes Oval präsentiert sie auf einem schiefen Tisch die Glieder von Ketten. Jedes Teil hat seinen exakt definierten Platz, einige Elemente sind verbunden, andere nicht. Skirde seziert Vorstellungen von Wirklichkeit präzise und akkurat, alles wirkt unendlich verletzlich und zugleich unendlich stark. Die Installation heißt, wie die Ausstellung, „Link“, also Verbindung – im weltweiten Netz oder überhaupt. Dass alles Teil ist eines großen Ganzen, wird klar in der geradlinigen Kette der Arbeit „we are in this shit all together“. Aber: Ein Kettenhaufen scheint unentwirrbar, andere Teile sind der Verbindung beraubt, sehen aus wie lange genutzte, altgediente und korrodierte Glieder. Dabei sind sie aus fragilem Ton geformt, durch die Glasur aber geben sie sich robust und unzerbrechlich. Manchmal führen Verbindungen eben auch ins Leere. Und immer wieder frohlockt unterschwellig die Ironie in den Arbeiten der 1986 geborenen, in Stuttgart lebenden Künstlerin. Sie hat die Botschaften von Glückskeksen gesammelt und gerahmt, und drei Weise in den irritierenden, witzigen Collagen mit dem Titel „Unbenannt“ halten sich dezent im Hintergrund. Aus dem Off erklingt immer wieder leise „tatatata“.

Mitten im Raum hängt ein üppig schwellendes, prachtvoll gelocktes Goldenes Vlies. Eingeknotet in ein ausrangiertes Sicherheitsnetz hat Skirde die drei Buchstaben „DEA“. Sie spielt mit dem lateinischen Wort für Göttin und dessen Anklang an den Namen der mythischen Kindermörderin Medea, nimmt damit auch Bezug auf Christa Wolfs Roman „Medea. Stimmen“. Auch in diesem 1996 erschienenen Buch sind die Kinder der Königstochter am Ende tot. Aber sie wurden, anders als im Mythos, nicht von der Mutter aus Zorn über ihren treulosen Gatten ermordet, sondern vom Volk, weil sie Ausländer sind. Wolf hat sich an die Urstränge der Erzählung gehalten, aber die männlich tradierte Rollenzuweisung von Gut und Böse umgekehrt. Im antiken Mythos wurde das Goldene Vlies, ein wundersames Hammelfell, mit Medeas Hilfe von ihrem späteren Gemahl geraubt. Es brachte beiden kein Glück. So ist denn auch Skirdes aus sich selbst ringelndem, goldfarbenem Plastikgeschenkband geknüpftes Vlies trügerisch. Es wärmt nie und scheint nicht einmal kostbar.

Die Ausstellungen der Stipendiaten sind jeweils nur an zwei Wochenenden zu sehen. Ines Skirde zeigt ihre Arbeiten noch am 23. und 24. März von 17 bis 19 Uhr. Als nächste Stipendiatin folgt vom 5. bis 14. April Elsa Farbos.