Quelle: Unbekannt

Die britischen Singer-Songwriter werden auf dem Stuttgarter Schlossplatz von 7000 Menschen gefeiert.

StuttgartJamie Cullum hat’s einfach drauf. Auch bei seinem fünften Stuttgarter Jazz-Open-Auftritt kommt keine Langeweile auf. Im Gegenteil: Der bloß 164 Zentimeter messende Cullum, der im Konzertverlauf mit der neuen, unveröffentlichten Eigenkomposition „Taller“ selbstironisch bekennt, dass er gerne länger wäre, ist einer der weltweit größten Entertainer, einer, der das Publikum vom ersten Takt an im Griff hat: mit seiner besonderen, leicht erkennbaren Stimme, seinem eindringlichen Klavierspiel, der charmanten Ausstrahlung und einer tollen Band. Auf Zehenspitzen federnd stürmt er ganz in Schwarz in einem sündhaft teuren Hemd unter dem Jubel des Publikums auf die Bühne und singt nach dem Opener „Get Your Way“ ein Lied mit dem Titel „Next Year Baby“. Das findet sich auf seinem Album „Twentysomething“, das ihm vor 14 Jahren einen Sensationserfolg beschert hatte. Ist der Song ein Versprechen, dass er nächstes Jahr schon wieder nach Stuttgart kommen wird? Viele fassen das genauso auf. Der Reiz der Wiederholung charakterisiert die Beziehung des hyperaktiven Pop-Jazz-Musikers aus England und seinem Stuttgarter Publikum. Alle freuen sich, als er – wie erwartet – nach einem starken Klaviersolo den Flügel als Perkussionsinstrument verwendet, wie ein Flummi hinaufspringt und anfängt zu rappen. Es ist eine von spitzen Jubelschreien durchblendete Hommage an Drake und dessen „Nice For What“. Längst tanzen da Mütter und kleine Kinder mit Gehörschutz auf den Ohren und Gruppen von jungen Leuten. Rihannas „Don’t Stop The Music“ kommt da gerade recht.

Ein ganz besonderer Moment ist es, als eine wohlbekannte Bassfigur den Beatles-Song „Come Together“ ankündigt und Joss Stone im lilafarbenen Seidenkleid hereinweht, um mit Jamie Cullum ein mitreißendes Duett zu singen. Es ist nicht nur die Botschaft zweier Brexit-Gegner, es ist das Lied eines großen Gemeinschaftsgefühls, das hier gefeiert wird. Cullum animiert die Leute zum Mitsingen, und ein Chor von 7000 Menschen tut das liebend gern. Auf der Bühne wird die Klangfülle vom Gospel Chor Stuttgart verstärkt.

2007 ist Joss Stone bei den Jazz Open zuletzt aufgetreten. Nun eröffnet sie das Doppelkonzert im Innenhof des Neuen Schlosses. Das einstige Wunderkind der Soul-Musik ist erwachsen geworden, hat sich überall musikalisch inspirieren lassen, ein eigenes Label gegründet und lässt sich nicht mehr gängeln. „Newborn“ heißt nicht von ungefähr ihr Opener, bei dem die Band elastisch groovt und zwei Huhu-Mädchen den Song versüßen. Die Stimme von Joss Stone ist beeindruckend stark und klingt so schwarz, als sei sie eine Soul-Sister von Aretha Franklin. Barfuß und mit weit ausgebreiteten Armen dreht sie sich lachend um ihre eigene Achse. Sie lässt ihre Sprechstimme zunächst dunkel und warm klingen, um dann in hohen Registern richtig abzudrücken, während die E-Gitarre jubilierend die Luft zerschneidet, der Bass pulsiert und der Drummer treibt. Eine wunderschön gesungene Ballade mündet in einen Reggae-Rhythmus. Am Ende wirft Joss Stone Sonnenblumen in die Menge und macht einen Knicks. Very british. Dann singt sie „For God’s Sake“ und meint Trump, das Publikum ruft „Yeah!“. Um Gotteswillen, nicht der schon wieder! Lieber Jamie Cullum.