Seine Bücher sind in einer Millionenauflage erschienen und in mehr als 30 Sprachen übersetzt: Paul Maar. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Esslingen - Er ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Kinderbuchautoren. Seine über 50 Bücher sind in einer Millionenauflage erschienen, in mehr als 30 Sprachen übersetzt und aus vielen Kinderzimmern nicht mehr wegzudenken. Mit seinen Theaterstücken gehört er zu den meistgespielten lebenden deutschsprachigen Autoren. Er ist darüber hinaus als Übersetzer, Illustrator und Drehbuchschreiber tätig, und ihm ist es zu verdanken, dass viele Kinder Spaß am Lesen haben und auch als Erwachsene noch gerne schmökern. Am heutigen Mittwoch wird Paul Maar 80 Jahre alt. Und weil der in Bamberg lebende Schriftsteller mit dem Esslinger Theater eng verbunden ist, las er dort jüngst aus seinem neuesten Buch „Das Sams feiert Weihnachten“.

Das junge Publikum im Schauspielhaus amüsierte sich königlich, als das Sams im mittlerweile neunten Band der Erfolgsreihe sein allererstes Weihnachten erlebt: „Kaufhaus, Feldmaus. Kaufmaus, Kopflaus. Kauflaus, Blumenstrauß“, trällert das vorlaute Wesen mit Rüsselnase, rotem Haar und blauen Wunschpunkten im Gesicht beim Einkaufen. Welch‘ hübsche Reminiszenz, denn echte Fans erinnern sich, dass das Sams genau diesen Reim im allerersten Band schon einmal gesungen hat. Vor allem die naiven Fragen des Sams‘ begeisterten die jungen Zuhörer: Ob Engel beim Schweben auch lenken können? Und ob das Gesundheitsamt nichts einzuwenden habe, wenn das neugeborene Jesus-Kind in einer Krippe liegt, die vorher Ochs und Esel vollgesabbert haben? Die Kinder grinsten, glucksten, kicherten und lachten glücklich, und auch ihre Eltern, von denen viele selbst mit Paul Maars Geschichten groß geworden sind, hatten jede Menge Spaß am Auftritt des begnadeten Vorlesers, kreativen Illustrators und verschmitzten Unterhalters.

Kunststudium in Stuttgart

Als Kind besaß der am 13. Dezember 1937 in Schweinfurt geborene Paul Maar fast keine Kinderbücher. Sein Vater hielt Lesen nämlich für Zeitverschwendung. Sein Großvater jedoch, ein fantasievoller Erzähler, ermunterte ihn, sich eigene Geschichten auszudenken und sie aufzuschreiben. Immer wieder erzählt Maar, wie er sich als Jugendlicher in der Bibliothek Erwachsenenbücher auslieh und bei einem Freund deponierte, um in Ruhe lesen zu können. Obwohl sein Vater wollte, dass er Handwerker wird, studierte Paul Maar, der früh selbst Vater wurde, stattdessen Kunst an der Stuttgarter Akademie.

Zum Vorlesen für seine Kinder lieh er Bücher aus der Bücherei aus: „Sie waren verstaubt und konventionell und atmeten zum Teil noch den Geist des Dritten Reiches“, erklärte er einmal, weshalb er kurzerhand Bilder an die Wände des Kinderzimmers malte und sich selbst Geschichten ausdachte. So entstand sein erstes Kinderbuch „Der tätowierte Hund“, das sein Verleger Friedrich Oetinger 1968 nur unter der Bedingung veröffentlichte, dass Maar weiterhin für Kinder schreibt, anstatt - wie er es eigentlich vorgehabt hatte - für Erwachsene.

1981 hatte Paul Maar, der mittlerweile als Kunstlehrer am Gymnasium arbeitete und mit seiner Familie in Aichtal lebte, mit „Kikerikiste“ schon ein erfolgreiches Kindertheaterstück geschrieben - und litt plötzlich unter einer Schreibblockade. Am neu gegründeten Esslinger Kinder- und Jugendtheater fand er aus dieser Krise heraus. Bei Improvisationen mit dem Ensemble wurde aus einer Idee sein nächstes Theaterstück „Mützenwexel“ - und Paul Maar wurde bis 1985 als Hausautor fest an der WLB engagiert. Nun traute er sich, seinen Brotberuf aufzugeben und sich als Schriftsteller selbstständig zu machen.

Konrad Knifflich, der Bettlerjunge Faust, Prinzessin Henriette-Rosalinde-Audora, die beiden Inuit-Jungen Jonah und Enuki und nicht zu vergessen das kleine Känguru, der verhexte Knödeltopf, der Buchstabenfresser und der Galimat: Angesichts der ungezählten Figuren, die Paul Maar zum Leben erweckt hat, ist es für ihn selbst ein wunder Punkt, dass er oft auf den „Sams-Schöpfer“ reduziert wird. Die Lieblingsfigur, der er selbst sich am nächsten fühlt, ist der Lippel aus „Lippels Traum“: „Als Kind war ich auch so ein Tagträumer. ’Ach, er kommt wieder aus dem Mustopf‘, hieß es über mich“, erinnert sich Paul Maar.

Plädoyer fürs Vorlesen

In seinen Büchern, bei Lesungen und auf seinen Reisen in alle Welt für das Goethe-Institut macht sich der Kinderbuchautor immer wieder für das Lesen stark und plädiert unermüdlich fürs Vorlesen und Geschichtenerzählen. Paul Maar erhält im Durchschnitt drei bis fünf Briefe pro Woche von jungen Lesern - und es ist Ehrensache für ihn, dass er sie alle persönlich und handschriftlich beantwortet, denn er nimmt Kinder und Jugendliche ernst.

Maar wurde für sein Schaffen mit unzähligen Preisen ausgezeichnet, und zahlreiche Schulen wurden nach ihm benannt. Die Ideen gehen ihm nicht aus: Er liebt das lustvolle Spiel mit der Sprache. Trotzdem findet sich in seinen geistreichen Unsinns-Geschichten, verrückten Reimen, pfiffigen Wortverdrehern und Sprach-Tüfteleien oft auch eine gute Portion Wirklichkeit. Da geht es um die Kriegs- und Nachkriegsjahre, um Schüchternheit und Angst, um Wut, Aggression und Mobbing. Gern gibt er seinen realistischen Geschichten einen kleinen Drall ins Fantastische - und steht damit den ernsthaften und gedankenvollen Vertretern aus der Neuen Frankfurter Schule, die sich als Humor-Schmiede für den kritischen Alltag verstand, in nichts nach.