Eines der Schlüsselbilder der Sammlung: Anton Stankowskis „Sachen“ von 1985 Foto: KSK - KSK

Karl Otto Völter hat die Kunst in die Kreissparkasse Esslingen gebracht. Er verabschiedet sich mit einer Retrospektive und erhält den Esslinger Kulturpreis.

EsslingenKaum eine Kreissparkasse (KSK) engagiert sich so sehr und vor allem schon so lange für Kunst wie die KSK Esslingen-Nürtingen. Dies ist das Verdienst des Mannes, der von 1971 bis 1998 ihr Vorstandsvorsitzender war, die Kunstsammlung aufgebaut und bis jetzt die Ausstellungen kuratiert hat: Karl Otto Völter. Ihm ist nun die Ausstellung „Karl O.s gesammelte Werke“ gewidmet, die erste im Neubau in der Esslinger Bahnhofstraße. Etliche von Völters persönlichen Lieblingsstücken aus der Sammlung – rund 90 Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und einige Skulpturen – sind über die Flure der ersten Etage verteilt. Die Büros sind noch nicht alle bezugsfertig. Aber ist die Kunst schon da.

Wie kam Völter dazu, schon ein Jahr, nachdem er seine neue Aufgabe in Esslingen übernommen hatte, in den Räumen der Sparkasse eine Ausstellung mit HAP Grieshaber zu eröffnen? Damals hatte die Landesgirokasse in Stuttgart seit kurzer Zeit eine kleine Galerie. Aber eine Kreissparkasse? „Kunst in der KSK war etwas Undenkbares“, erinnert sich der heute 85-jährige Völter. Er war aus Saulgau gekommen. Dort gab es den Gasthof Kleber-Post, wo zweimal die Gruppe 47, das wichtigste Literaten-Forum der Nachkriegszeit, tagte. Und seit 1947 die städtische Galerie Fähre, der laut Völter der Ruf einer oberschwäbischen Documenta vorauseilte.

Das Werk, das Völter in seiner Rede bei der Vernissage an den Anfang stellte, ist ein farbenprächtiger großer Flieder- und Tulpenstrauß von Maria Caspar-Filser. In Riedlingen geboren, hatte sie um 1900 in Stuttgart studiert, war 1925 in München als erste deutsche Künstlerin zur Professorin ernannt worden und hatte dreimal an der Biennale von Venedig teilgenommen. Doch 1933 wurden ihre Werke beschlagnahmt, 1936 erhielt sie Ausstellungsverbot. Der Flieder- und Tulpenstrauß ist 1944, mitten im Krieg, entstanden. Als sie 1968 im Alter von 90 Jahren starb, widmete ihr die Saulgauer Fähre-Galerie Fähre eine Gedächtnisausstellung.

Abstrakt und konstruktiv

Nun ist ihr Werk nicht unbedingt typisch für die Sammlung, die Völter nach einigen Jahren in Esslingen aufzubauen begann und die heute rund 500 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen sowie über 1500 Druckgrafiken umfasst – darunter Werke von Max Ackermann, Adolf Fleischmann, Lothar Quinte, Cordula Güdemann, Fritz Ruoff und vielen anderen. Charakteristisch für die Sammlung ist eher die konkrete und konstruktive Kunst der Nachkriegszeit aus dem deutschen Südwesten. Abstrakt und konkret sind eigentlich Gegensätze. Nicht jedoch in der Kunst. Der niederländische Künstler Theo van Doesburg hatte den Begriff „Konkrete Kunst“ geprägt, der in der Nachkriegszeit großen Anklang fand, weil die gegenstandslose Kunst ja eben nicht eine Abstraktion eines sichtbaren Objekts, sondern eine freie Erfindung sei. Konstruktiv nennt sich die Variante, die mit geometrischen Formen arbeitet.

Allerdings begann nach dem Krieg die Entwicklung gerade nicht mit der Geometrie, sondern mit der freihändigen, gestischen Malerei des Informel. Erst allmählich gingen Künstler wie Otto Herbert Hajek zu Quadraten, Rauten und Kreisformen über. Sehr gut lässt sich das bei Georg Karl Pfahler beobachten. Sein erstes Werk in der KSK-Ausstellung, noch ganz dem Informel verpflichtet, stammt von 1957, dem Jahr, in dem er mit der „Gruppe 11“ in einer Reihe von Ausstellungen von München bis London an die Öffentlichkeit trat. Die Serie „Formativ“, zwischen 1961 und 1964 entstanden, zeigt dagegen große flächige Formen in Primärfarben mit unregelmäßigen Umrissen, während dann 1965 die Kanten wie mit Lineal und Zirkel gezogen wirken.

Auf die Spitze trieb dieses Prinzip der Geometrie jener Künstler, dem Völter am meisten verbunden war und der auch als Grafiker das optische Erscheinungsbild der Kreissparkasse geprägt hat: Anton Stankowski. Das Bild „4 Größen, 4 Farben“ besteht, wie der Titel besagt, aus Quadraten in vier Größen und vier Farben, die so gekonnt zusammengeschachtelt sind, dass es trotzdem ganz frei und unbeschwert wirkt. Fortgeführt hat Stankowski dieses Prinzip etwa im Acrylbild „Sachen“ von 1985. Ursprünglich hat er freilich als Fotograf angefangen. Seine Schwarzweißfotos, Collagen und Fotogramme aus den 20er-Jahren gehören zu den ältesten Stücken der Ausstellung. Ihnen sind moderne Fotografen gegenübergestellt: vom Blick in die winterlichen Steillagen der Esslinger Rebhänge von Guido Mangold bis hin zur schon etwas betagten, fülligen „Bikini-Queen“ von Peter Granser, die auf ihrem Kleid das Bild einer schlankeren Person trägt, bekleidet mit einem Bikini in Stars and Stripes.

Stets respektvoll

Völter hat die Kunstsammlung und die Ausstellungen der KSK nicht allein betreut. Ihm zur Seite stand lange Zeit der 2015 gestorbene Günther Wirth, als Kunstkritiker und Berater eine überragende Person der Kunstvermittlung in der Region Stuttgart. Seit zehn Jahren wird Völter unterstützt von Tobias Wall, der nun seine Nachfolge antritt. Humorvoll schilderte Wall, Kunstexperte und Geschäftsführer der kunstfördernden Stuttgarter Karin-Abt-Straubinger-Stiftung, wie es zu dieser Zusammenarbeit gekommen war und wie diese nicht immer frei von Konflikten, aber stets von gegenseitigem Respekt getragen war.

Für Völter endet nun die 46-jährige Ära seines Einsatzes für die Kunst in der Kreissparkasse. Für seine Verdienste erhielt er den 12. Esslinger Kulturpreis und reiht sich damit ein in eine illustre Runde herausragender Persönlichkeiten, die Esslingen unter den Nachbarkommunen Stuttgarts zur wichtigen Kulturstadt gemacht haben. Für die Kreissparkasse beginnt mit der Eröffnung des Neubaus ein anderes Kapitel. Aber sie bleibt Völters Kunst-Engagement treu, wie der Vorstandsvorsitzende Burkhard Wittmacher betont. Der seit 1978 alle zwei Jahre vergebene Kunstpreis der KSK nennt sich nun Südwestdeutscher Kunstpreis. Das Preisgeld wird aufgestockt von 8500 auf 10 000 Euro. Die ersten Preisträger werden in einer Ausstellung zu sehen sein, die am 8. Oktober in der Kreissparkasse eröffnet wird.

Die Ausstellung „Karl O.s gesammelte Werke“ in der Esslinger KSK-Zentrale (Bahnhofstraße 8) dauert bis 31. August und ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr geöffnet.