In „Die Hauptsache“ stehen gehörlose und hörende Schauspieler gemeinsam auf der Bühne. Foto: Schneid/oh - Schneid/oh

An der WLB inszeniert Regisseur Jeffrey Döring das Stück „Die Hauptsache“ von Nikolai Evreinov. Die Truppe besteht aus gehörlosen und hörenden Schauspielern.

EsslingenEine gemeinsame Sprache mit gehörlosen und hörenden Schauspielern zu finden, hat den Regisseur Jeffrey Döring herausgefordert. Mit dem Gehörlosentheater am Gasteig in München hat er Nikolai Evreinovs Stück „Die Hauptsache“ in Szene gesetzt. Die Produktion ist am morgigen Samstag im Schauspielhaus der Württembergischen Landesbühne in Esslingen zu sehen. Nach den viel beachteten Vorstellungen in München geht die Produktion jetzt auf Deutschlandtour.

„Ich wünschte, ich hätte den gehörlosen Spielerinnen und Spielern in den Proben mehr helfen können“, findet der Autor und Regisseur, der an der Ludwigsburger Akademie für Darstellende Kunst Dramaturgie studiert hat. Da sei er selbst manchmal an Grenzen gestoßen. In der Region ist der Theatermacher, der sich für multimediale Projekte interessiert, bestens bekannt und vernetzt. 2017 hat der junge Künstler beim Podium Festival in Esslingen Codewort Magnus, ein interaktives Theater-Game im Alten Zollamt, realisiert. Die Zusammenarbeit mit den Festivalmachern setzt er fort. Für den Theaterverein Neuhausen schrieb er 2018 ein historisches Stück zum Jubiläum des Oberen Schlosses, das die Laienschauspieler dann unter freiem Himmel aufführten. Auch da plant Döring bereit eine weitere Zusammenarbeit.

Bilderreiche Sprache

Das Projekt für das Gehörlosentheater war für ihn in vieler Hinsicht besonders. Er selbst habe zumindest ansatzweise gelernt, sich in der Gebärdensprache auszudrücken. Das half ihm, sich besser in die Welt der Menschen hineinzudenken, die taub sind. Ein Gebärdendolmetscher hat den Text für die Gehörlosen übersetzt. Dabei entstand ein Video-Drehbuch. So hätten alle Beteiligten die Möglichkeit, ihre eigenen Akt der Kommunikation im Theater zu finden.

Wie kam der junge Künstler auf das eher selten gespielte Stück des russischen Symbolisten, der 1953 starb? „Die bilderreiche Sprache und die Verwechslungskomödie“ hätten ihn an dem Drama aus dem Jahr 1921 gereizt. Da geht es um eine Wahrsagerin in einer russischen Kleinstadt, die den Armen und Verzweifelten Halt gibt. Mit einer Maskerade versucht ein reicher Lebemann, das Leben der Menschen aufzuhellen. Es geht um Liebe, um falsche Identitäten, aber auch um die großen und kleinen Sorgen des Alltags.

„Es war unser Ziel, gemeinsame Theaterbilder zu finden, die für alle Beteiligten funktionieren“, beschreibt Döring die nicht immer ganz einfache Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen. Manchmal habe es Missverständnisse gegeben, fanden die Akteure nicht zueinander. Auch das ist für den Regisseur eine wichtige Erkenntnis. Den Prozess, Barrieren zu überbrücken, oder die Unterschiede zu respektieren, hat der junge Regisseur als sehr bereichernd erlebt. Laut- und die Gebärdensprache gemeinsam auf die Bühne zu bringen, sieht er als wichtiges Projekt im Theater der Zukunft.

Ein Wagnis war das Projekt auch für das Deutsche Gehörlosentheater. Matthias Pointner vom Leitungsteam was es wichtig, „dass diese Produktion kein Inklusionsprojekt ist.“ Damit hat das Theater, in dem ansonsten nur gehörlose Darsteller auf der Bühne stehen, Neuland beschritten. Ziel des Theaterchefs was es, dass die Spielerinnen und Spieler gleichberechtigt auf der Bühne stehen. Das Abenteuer, gemeinsam mit Hörenden an einem Stück zu arbeiten, wollte das Theater wagen. „Wir haben sehr viel voneinander gelernt“, zieht Regisseur Jeffrey Döring ein positives Fazit. Sich auf die Suche nach einer neuen, gemeinsamen Sprache einzulassen, hat auch ihm Spaß gemacht. Der Blick der Künstlerinnen und Künstler, die nicht hören, eröffnete ihm neue Horizonte. 150 Spielerinnen und Spieler haben sich im Vorfeld für das Projekt beworben. Da waren die Castings nicht ganz einfach. Nun stehen vier gehörlose und fünf hörende Akteure auf der Bühne. „Es war mir wichtig, dass sich die Akteure fallen lassen. Dass sie den Mut haben, gewohnte Wege zu verlassen.“ Sich in die Kommunikation des jeweils anderen hineinzudenken, war bei der Probenarbeit wichtig. Dass er die Regiearbeit nun an Theatern in ganz Deutschland zeigen darf, freut Döring sehr. Er hofft, dass sich Hörende und Gehörlose mit Projekten wie diesem aufeinander zubewegen.

Die Produktion „Die Hauptsache“ ist am Samstag, 30. März, im Schauspielhaus der Württembergischen Landesbühne in Esslingen zu sehen. Beginn der Vorstellung ist um 19 Uhr.