Die Menschheit geht baden in Nicki Lisztas „Platonia“. Foto: Daniela Wolf - Daniela Wolf

Das Stuttgarter Theater Rampe zeigt das bittere Tanzstück „Platonia“ von Nicki Liszta.

StuttgartWäre es nicht viel gesünder für die Erde, wenn die Menschen den Planeten verließen? Die kolossale Überbevölkerung und Ressourcenverschwendung verhandelt im Theater Rampe das Stück „Platonia“ der Stuttgarter Choreografin Nicki Liszta mit nüchternem Zynismus, dunkel und beängstigend. Schon im Foyer gibt die Tänzerin Isabelle von Gatterburg Selbsthilfe-Tipps zur Selbstentleibung, erwägt munter Vor- und Nachteile von Gift, Pistole, Erhängen, demonstriert alles in hilfreicher Weise. Vom makabren Vorspiel geht es weiter in den dunklen Saal, wo auf Bildschirmen die aktuelle Weltbevölkerungszahl flimmert: 7,6 Milliarden, sekündlich steigend. Ist der heruntergekommene, angerostete Badesaal eine Art Euthanasieraum? An einem dysfunktionalen Automaten ziehen wartende Menschen Nummern, wahlweise offeriert die Maschine auch Kaffee, Eiswürfel oder die letzte Zuflucht.

Von „Mother Earth“ singt die Tänzerin Ariel Cohen und erteilt im aseptischen Gummijackett freundlich-bestimmte Anweisungen zur platonischen Umarmung: Nur ja keine Kinder mehr in diese Welt setzen. Ein Mann drückt die Luft aus dem Babybauch seiner Frau, auf den Bildschirmen schnellt die Erdbewohnerzahl rasant auf zwölf Milliarden hoch, und ein Mensch mit Fischkopf sucht nach Wasser in ausgetrockneten Leitungen. Heftig, manchmal fast stumpfsinnig werfen sich die vier Tänzer auf den Boden, verschwinden in Wänden oder hechten rückwärts in die Badewannen – die Selbsttötung mag bewusste Entscheidung sein, auf einer zerstörten Erde aber auch die einzige Konsequenz. Neben ungewohnt tröstlichen Umarmungen zeigt der ziemlich brutale Tanz Nicki Lisztas das pure körperliche Anrennen gegen den Irrsinn der Existenz. Die unheimlich wabernden Geräusche vertröpfelnden Wassers, die Heiko Giering von seinen Computerpulten zusteuert, steigern sich über Klaviermusik und paradiesische Harmonien zu bedrohlichen Rhythmen. Ein hoffnungsvolles Bild der erlösenden Natur aber, die nach dem Menschen alles überwuchern könnte, sieht man hier keine Minute lang. Nur den Verfall menschlicher Werke und menschlichen Lebens.

Weitere Vorstellungen erst wieder im Januar 2019.