Zwischen Witz und glühender Leidenschaft: Sky du Mont (rechts) liest aus den Memoiren Casanovas, das Schuppanzigh Quartett schlägt den musikalischen Bogen zu Mozart und Komponistenkollegen. Foto: Holger Schneider Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Casanova und Mozart - passt da etwas zusammen? In Prag, bei der Uraufführung von „Don Giovanni“ 1787, könnten sie einander begegnet sein. Immerhin zählte der weitgereiste Kosmopolit Casanova zu den Premierengästen im Nationaltheater, und mit dem Librettisten Lorenzo da Ponte war er schon ein Jahrzehnt lang befreundet. In Casanovas Nachlass fand man sogar eigene Entwürfe für das „Don Giovanni“-Textbuch. Möglicherweise wurde der erotisch besessene Titelheld der Oper sogar vom real personifizierten Don Juan inspiriert. Bei der literarisch-musikalischen Soiree im Stuttgarter Theaterhaus, wo das Musikfest-.Motto „Freiheit“ zu „Casanova oder: Von der Freiheit des Willens“ umgemünzt wurde, war die musikalische Umrahmung der Casanova-Texte durch das Schuppanzigh Quartett jedenfalls vorwiegend Mozart vorbehalten.

Apropos Willensfreiheit: „Vollkommen frei“ wolle er leben, zitierte der vor allem durch Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Sky du Mont aus den Memoiren Casanovas. Sie sind der Rückblick eines alten Mannes auf 60 Jahre eines äußerst bewegten Lebens als Abenteurer und Verführer, verfasst in der Einsamkeit des böhmischen Schlosses Dux, Casanovas Alterssitz. In seinen Erinnerungen erkennt er, wie sehr ihn die gesellschaftlichen Umstände geprägt und beschränkt hatten.

Mit betontem Vergnügen

Freiheit im Geist und in der Liebe hat der Libertin gleichwohl entschieden praktiziert, wenn er auch in bekennt: „Wenn ich verführte, wusste ich gar nichts davon, war selber verführt.“ Solche Sätze, die Sky du Mont mit betontem Vergnügen zum Besten gibt, gefallen natürlich den Zuhörern und provozieren ab und zu leises Gelächter.

Die Textstellen aus Casanovas im Original auf Französisch geschriebener „Histoire de ma vie“ sind eher kurz, Episoden wie die erste Jugendliebe („Bettina“) oder ironische Reflexionen, seine Besuche an den Fürstenhöfen von Dresden, Wien und Madrid oder seine Leidenschaft für Walzer und Fandango bieten nur ein relativ oberflächliches Bild seines Charakters und seiner Existenz. Die Textauswahl bleibt eher im Privaten, seine Begegnungen mit bedeutenden geistigen und politischen Repräsentanten seiner Zeit wie Voltaire, Friedrich II. oder Katharina der Großen kommen nicht zur Sprache.

Der musikalische Anteil des Programms nimmt mehr Zeit in Anspruch, von Mozarts „Adagio und Fuge“ zu Beginn (mit leichten Intonationstrübungen der Geigen) bis zu den Sätzen aus dessen „Dissonanzen-“ und „Jagdquartett“, wobei die Bezüge zu den Casanova-Zitaten ziemlich beliebig erscheinen. Klar, die Spannung zwischen Form und Individualität, Witz und Leidenschaft, rokokohafter Tändelei und glühender Expressivität findet sich in Mozarts Musik wieder und spiegelt in gewisser Weise auch einen Charakter wie den Casanovas. Und aus dem eingestreuten Streichquartett D-Dur op.33 Nr.6 von Joseph Haydn klingt der aufklärerische Geist seiner Zeit.

Unterhaltsam angetippt

So wird die Figur Casanova, herbeizitiert vom charmanten, stattlich aufrecht im Silberhaar mit markanten Gesichtszügen an seinem Lesepult sitzenden Sky du Mont, unterhaltsam angetippt. Die Musiker des Schuppanzigh Quartetts mit ihrer historisch orientierten, weniger auf Klang als auf Akzent und Ausdruck zielenden Aufführungspraxis wirken derweil vor allem bei Haydn authentisch. Ein kurzer musikalischer Moment gilt dann noch Casanovas Besuch bei seiner Familie in Dresden, mit zwei knappen Quartettsätzen des dortigen Hofkapellmeisters Johann Gottlieb Naumann. Ein gefälliger Rahmen zur amüsanten Lesung.