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2006 hat der Stuttgarter Tänzer, Choreograf und Compagnie-Chef Eric Gauthier den Tanz-Hit „Ballett 101“ geschaffen. Jetzt kreiert er zusammen mit dem dänischen Startänzer Johan Kobborg eine Fortsetzung dieser amüsanten Einführung ins klassische Ballett.

StuttgartManchen Noverre-Stücken gelingt von Stuttgart aus eine steile Karriere, Eric Gauthiers „Ballet 101“ zum Beispiel. Das 2006 uraufgeführte Solo für Jason Reilly hat es zum internationalen Gala-Hit gebracht. Gauthiers amüsante Einführung ins klassische Ballett, die sich zur rasanten, ihren Interpreten aufreibenden Leistungsschau steigert, ist bei Stars beliebt: Roberto Bolle von der Mailänder Scala und Xander Parish vom Mariinsky-Ballett tanzen das Gala-Stück, ebenso Kompanien von Australien bis Zürich.

Der dänische Tänzer Johan Kobborg, viele Jahre Solist des Royal Ballets in London und als Partner seiner Frau Alina Cojocaru weltweit gefeiert, hat als gefragter Gala-Star Bekanntschaft mit Gauthiers „Ballet 101“ gemacht. „Ich habe das Stück öfters gesehen und war jedes Mal verblüfft, dass es so persönlich wirkt, selbst wenn es nicht für den jeweiligen Tänzer entstanden ist“, sagt Kobborg. Und so reifte in ihm der Wunsch, einmal selbst mit Gauthier zusammenzuarbeiten. Vor einem Jahr rief er ihn an, in der letzten Septemberwoche fanden die beiden Vielbeschäftigten eine Lücke im Kalender, um in den Proberäumen von Gauthier Dance am Löwentor gemeinsam ein Solo auszuhecken, das wie „Ballet 101“ mit liebevoller Komik auf diese Kunst blickt, ohne in Klamauk zu verfallen.

„ABC“ soll das Werk heißen, Uraufführung ist am 13. Oktober bei einer Gala in St. Petersburg. Und schon ein kleiner Einblick bei den Proben in Stuttgart macht klar: Auch dieses Stück hat das Zeug zum Hit! Doch um seine volle Wirkung zu entfalten, braucht das Ballett-ABC nicht nur einen virtuosen Tanzakrobaten, sondern vor allem einen gereiften, ausdrucksstarken Darsteller wie Kobborg. Der 47-Jährige springt und dreht auf Hochtouren, hat aber vor allem ein feines Gespür fürs Pantomimische.

Ballettbegriffe von A bis Z hat das Duo Gauthier-Kobborg gesammelt, im Studio klopfen sie das Vokabular auf seine Bühnen- und Tanztauglichkeit ab, auch daraufhin, ob ein Begriff Einblick in das komplizierte Dasein als Tänzer geben kann. Zwischen Fachbegriffen wie Allongé, Assemblé und Arabesque wird das Wörtchen „alcoholic“ im Publikum sicher für Heiterkeit sorgen. „Wir lachen“, sagt Eric Gauthier, „aber viele Tänzer sind’s.“

Klar will ein Tänzer vom Format eines Johan Kobborg mit einer solchen Nummer zeigen, was er noch immer kann. Beim Stichwort „Jetée“ wird er zum Flugkünstler, er geht ans Limit. Doch letztlich geht es Kobborg gerade nicht um die üblichen Tänzertricks: „Da bin ich durch, ich muss nichts mehr beweisen.“

Eine Fülle verrückter Ideen gehen Choreograf und Tänzer durch, im besten Fall fügen sich ihre Einfälle am Ende, angetrieben von Gauthiers Stimme aus dem Off zu heiteren Miniaturen wie beim Buchstaben „L“, wenn „lift“ auf „loud“ trifft und Kobborg eine unsichtbare Partnerin unsanft landen lässt. Es ist schön zu beobachten, wie für dieses „ABC“ zwei Künstler einander gefunden haben und sich gegenseitig inspirieren. Und vielleicht findet das Werk ja auch seinen Weg auf eine Stuttgarter Bühne. Vorerst heißt es bei Gauthier Dance aber „Classy Classics“: Am 24. Oktober startet die Theaterhaus-Kompanie mit modernen Lieblingsstücken in die neue Saison.