Anleihen bei der deutschen Klassik: das gestern am Rande der Nürtinger Altstadt eingeweihte Hölderlin-Denkmal. Foto: Daniel Jüptner Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krazeisen

Nürtingen - In der rechten Hand hält er die Insignie des Dichters, eine Papierrolle, die Linke mit den elegant gespreizten Fingern ist wie zum Gruß erhoben: Ein unbeschwert wirkender, selig lächelnder Friedrich Hölderlin ist nach Nürtingen zurückgekehrt. Noch ist im Antlitz des jungen, hochgewachsenen Mannes mit den breiten Schultern keine Falte zu sehen, die etwas ahnen lassen könnte von der psychischen Last und den seelischen Peinigungen, die sein späteres Leben dem Dichter zudenken sollte.

Das Bronze-Denkmal wurde gestern Morgen in einer Feierstunde beim Steinach-Dreieck am Fuße der Altstadt enthüllt. Nürtingens Oberbürgermeister Otmar Heirich erinnerte an die herausragende Bedeutung der Stadt für Leben und Werk des Dichters, eines „Großen der Weltliteratur“. Nürtingen könne sich, so der OB, mit Fug und Recht als Heimatstadt Hölderlins bezeichnen.

1770 in Lauffen am Neckar geboren, hat der Dichter in Nürtingen den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbracht. Hier besuchte er die Lateinschule, hier wurde er konfirmiert, und hierher kehrte er als Denkendorfer und als Maulbronner Klosterschüler, als Tübinger Student und auch später, als ihn seine Anstellungen ins fränkische Waldhausen, nach Frankfurt, in die Schweiz und sogar nach Frankreich führten, immer wieder zurück. In „der Mutter Haus“ entstanden nicht nur die ersten Gedichte, hier arbeitete der Poet auch an einigen seiner bedeutendsten Werke - etwa am „Hyperion“ oder dem Gedicht „Hälfte des Lebens“.

Angeregt und maßgeblich finanziert wurde das Denkmalprojekt vom Rotary Club Kirchheim-Nürtingen, die Konzeption und Begleitung der künstlerischen Umsetzung erfolgte in Kooperation mit dem Nürtinger Hölderlinverein. Hanns Aberle, der Präsident der Kirchheimer und Nürtinger Rotarier, erklärte bei der feierlichen Einweihung, mit diesem bürgernah gestalteten Denkmal wolle man einen Beitrag zur Kulturlandschaft der Region leisten und mithelfen, Hölderlin einem breiten Publikum noch sicht- und erlebbarer zu machen. Bei der Konzeption der Skulptur hat man bewusst klassische Anleihen bei der Berliner Bildhauerschule gemacht. Die Nürtinger Hölderlin-Bronze erinnert unübersehbar an das berühmte Goethe-Schiller-Doppelstandbild in Weimar. Gefertigt wurde das überlebensgroße Hölderlin-Denkmal in den vergangenen Monaten in der renommierten Kunstgießerei Strassacker in Süßen im Filstal.

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Beim jungen Beau Hölderlin gilt das Bonmot umso mehr, als sich der Schöpfer der Statue, der Bildhauer und Professor Waldemar Schröder, vor die Schwierigkeit gestellt sah, dass er sich sein Bild des attraktiven jungen Poeten aus diversen literarischen und künstlerischen Quellen zusammensetzen musste. Rekon struktion überlieferter Details und Imagination des ausführenden Künstlers gingen zwangsläufig Hand in Hand. Schröder präsentiert uns seinen Hölderlin als Dichter-Schönling mit Rock und nackenlangem Haar, das zum Zopf gebunden ist. Ein junger Apollo mit leicht verklärtem Blick, der Richtung Altstadt und Hölderlinhaus gerichtet ist. Dort soll der weltberühmte Dichter, dessen Geburtstag sich 2020 zum 250. Mal jährt, nach der Modernisierung des Gebäudes seinen endgültigen Platz erhalten.