In Spielmann-Attitüde schultert Sergey Malov das Cello. Foto: H. Schneider Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Als Johann Sebastian Bach in Köthen um 1720 seine sechs Cello-Suiten schrieb, war das Instrument noch keine 50 Jahre bekannt. Als kleinere Bassgeige und mit leichter spielbarer Besaitung begann es sich aus seiner bloßen Continuo-Funktion zu emanzipieren, in Bologna und Venedig entwickelte es sich, zum Beispiel in den Konzerten für Violoncello und Orchester von Antonio Vivaldi, zu einem solistischen Partner. Bach schließlich machte das Instrument in seinen Solo-Suiten zu einem virtuosen und zugleich ausdruckstiefen Medium.

In Rüschenbluse und Halskrause

In der Reihe „Sichten auf Bach“ beim Musikfest präsentierte nun der russische Geiger Sergey Malov in Rüschenbluse und Halskrause die beiden letzten Suiten in c-Moll und D-Dur in Spielmann-Attitüde auf dem historisch besonders interessanten Violoncello da spalla (das heißt: an der Schulter zu spielen). Bachs Zeitgenosse Johann Gottfried Walther beschrieb die Vorzüge des wie eine zu groß geratene Bratsche dimensionierten Instruments in seinem Musicalischen Lexicon 1732: „Die Bassa di Viola und Viola di Spalla sind kleine Baß-Geigen, in Vergleichung der größeren mit fünf auch wohl mit sechs Saiten, worauf man leichtere Arbeit als auf den großen Maschinen allerhand geschwinde Sachen, Variationes und Manieren machen kann.“ Sergey Malov spielte die Courantes und Gigues der beiden Suiten in der Tat in atemberaubendem Tempo und mit bewundernswert phantasievollen Verzierungen. Schon das Prélude der dunkler getönten c-Moll-Suite artikulierte er in fließender Phrasierung, jeden der zahlreichen Doppelgriffe in der Allemande und Sarabande schien er als Affekt-Akkorde mit verzückter Miene zu genießen, die Gavotten waren besonders kontrastreich dynamisiert. Mit dem kleinen, von Dmitry Badiarov 2011 für Malov gebauten Viola-Cello horizontal vor der Brust, flogen die Finger nur so über das gegenüber dem normalen Cello kürzeren Griffbrett, und der tänzerische Charakter der schnellen Suite-Sätze war unmittelbar zu empfinden.

Sergey Malov, Professor für Violine an der Züricher Musikhochschule und Gewinner zahlreicher internationaler Preise bei Geigenwettbewerben, spielt sein Violoncello da spalla mit der Virtuosität eines Violinisten. Das war besonders eindrucksvoll bei der D-Dur-Suite zu erleben, die Johann Sebastian Bach vielleicht sogar für ein solches fünfsaitiges, helltöniges Instrument komponierte. Mit vorbildlicher barocker Artikulation klang das Prélude, in dem die hohe E-Saite besonders häufig zum Einsatz kommt, wie Sphärenmusik, die Arpeggien kamen luftig und schwerelos, die Sarabande leuchtete in Akkordfülle. Der spezifisch musikantische Ansatz Malovs kam auch bei seiner Zugabe, dem Prélude der G-Dur-Suite, zu schönster Wirkung.