Szene aus der Wiederaufnahme von „La fille mal gardée“. Foto: Stuttgarter Ballett - Stuttgarter Ballett

Frederick Ashtons „Schlecht behütetes Mädchen“ aus dem Jahre 1960 ist und bleibt eines der perfektesten Handlungsballette der Welt. Jetzt steht das Juwel beim Stuttgarter Ballett wieder auf dem Spielplan.

StuttgartEs ist putzig und pittoresk, es hat tanzende Hühner, einen Mann im Kleid, der mit Kohlköpfen schmeißt, und ein echtes Zwergpony – aber Frederick Ashtons „Schlecht behütetes Mädchen“ aus dem Jahre 1960 ist und bleibt eines der perfektesten Handlungsballette der Welt. Wo es in so ziemlich jedem anderen Abendfüller von der alten „Giselle“ bis zu John Neumeier immer irgendwo Durchhänger gibt, in denen die Gedanken selbst des treuesten Ballettkenners davonflattern, da ist „La fille mal gardée“ eine einzige, durchgehende Wonne, in der Schlag auf Schlag Überraschung auf Verzückung und auf hinreißende Choreografie folgt. Seit Samstag steht das Juwel beim Stuttgarter Ballett wieder auf dem Spielplan, die liebenswert gemalte alte Ausstattung von Osbert Lancaster wurde dafür neu hergestellt (sie war bei den letzten beiden Vorstellungsserien aus München entliehen). Neu ist leider auch die scheußliche Disco-Beleuchtung, die das zarte Morgenrot und Himmelblau der Hintergründe ersetzt. Bei all ihrer Farbigkeit ist Ashtons Idylle doch eigentlich im Pastell vergangener Zeiten gemalt. Getanzt aber wird himmlisch, mit der ganz speziellen Qualität der Stuttgarter Kompanie: Spielwitz und vollkommene Hingabe. Es mag nicht immer der reinste Ashton-Stil sein, der auf komplizierte Fußarbeit und ein subtiles Epaulement setzt, die Haltung von Schultern und Oberkörper, aber wir sehen feine Grazie und eine beachtliche Musikalität. Und genau den trockenen Witz, den Ashton seiner Landidylle von der verliebten Lise mitgibt, die gegen die Absicht ihrer Mutter Simone unbedingt den Bauern Colas heiraten will. Die Pantomimen wurden mit einem breiten Lächeln einstudiert, die rosa Satinbänder flattern exakt so, wie sie sollen, das Corps de ballet sprüht bei seinen raffinierten und wahrlich nicht einfachen Tänzen vor guter Laune.

Elisa Badenes fügt, wie sollte es anders sein, ihrem Rollenspektrum mit der frechen Lise einen weiteren Höhepunkt hinzu – leicht und sonnig, strahlend, schwerelos auf ihren Spitzen. Ganz reizend fällt Roman Novitzky in der Travestierolle ihrer gluckenhaften Erziehungsberechtigten von mütterlicher Strenge in verschämte Koketterie; beim Holzschuhtanz und Tamburinspiel setzt er seine hohe Musikalität neckisch ein. Louis Stiens, ohnehin ein begnadeter Pantomime, gewinnt dem verspielten Tölpel Alain neue Nuancen ab und lässt uns bei allem Körperwitz, bei allem treffsicheren Balancieren zwischen Clown und Träumer doch auch seinen Tanz bewundern. Technisch perfekt, mit meisterhaft verlangsamten Drehungen, wirbt Adhonay Soares da Silva als Colas um seine Geliebte und bleibt doch einer der wenigen Stuttgarter Tänzer, bei denen man über den Unterschied zwischen technischer und künstlerischer Note nachdenkt.

„La fille mal gardée“, eines der ältesten Ballette der Welt, war bei seiner Uraufführung im Revolutionsjahr 1789 das erste Tanzstück, das nicht unter Göttern und mythischen Gestalten, sondern beim normalen Bauernvolk spielte. Frederick Ashton schuf mit seiner Version nicht nur das ideale Einsteigerwerk für Ballettneulinge, er ersann auch das arkadische Ideal eines friedlichen Zusammenlebens, in dem Konflikte zwischen Eltern und Kindern mit Liebe gelöst werden, in dem Erntearbeiter gerecht bezahlt werden (eine kleine, aber bedeutsame Szene), in dem die Menschen die Natur respektieren und im Einklang mit ihr leben. Ein herzerwärmendes, erhebendes Ballett, das sicher auch den zahlreich anwesenden Geldadel des Ballettsponsors Porsche für zweieinhalb glückliche Stunden daran erinnerte, was eigentlich wichtig ist im Leben.

Weitere Aufführungen: 7., 10., 17., 26. März, 6., 7., 20. 22., 27., 28. April.