Emanzipation vom übermächtigen Vater: Peter Kaghanovitch als Tiziano Terzani (rechts) und Felix Jeiter als Sohn Folco. Foto: Daniela Aldinger - Daniela Aldinger

Vor der Premiere: Jürgen Esser inszeniert an der Esslinger Landesbühne „Das Ende ist mein Anfang“ nach dem Buch von TizianoTerzani.

EsslingenDer italienische Journalist Tiziano Terzani hat als Asien-Korrespondent des „Spiegel“ auch eine ganze Generation deutscher Leser mit kritischen Informationen und Reportagen versorgt: Er berichtete aus den letzten Jahren des Vietnam-Kriegs und aus dem Krieg Vietnams gegen Kambodscha, er schrieb über das massenmörderische kambodschanische Terrorregime Pol Pots, über das vom Maoismus zerrüttete China und über weitere Entwicklungen auf dem asiatischen Kontinent. Bei alldem bewies er viel Mut, den er später auch in eigener Sache brauchte: 1997 wurde bei ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert. Terzani stellte sich dem Befund mit jener offensiven Klarheit, die ihn als Journalist auszeichnete. Die eigene Krankheit wurde sein Reportagethema, der Tod sein letztes Abenteuer. Im Frühjahr 2004 führte er mit seinem Sohn Folco ein langes Gespräch über sein Leben und Sterben, das ein Jahr später als Buch unter dem Titel „Das Ende ist mein Anfang“ erschien. Tiziano Terzani hat die Veröffentlichung nicht mehr erlebt. Er war am 28. Juli 2004 gestorben.

Eine dialogisierte Fassung des Buchs hat an diesem Sonntag in Jürgen Essers Regie an der Esslinger Landesbühne (WLB) Premiere. Das Terzani-Vermächtnis nahm freilich den Umweg über den Filmstoff, bevor es jetzt auf die Bühne kommt: Ulrich Limmer, Co-Drehbuchautor der Erfolgskomödie „Schtonk!“, hat 2010 als Produzent eine Verfilmung von „Das Ende ist mein Anfang“ mit Bruno Ganz in der Hauptrolle herausgebracht und ebenfalls als Co-Autor (zusammen mit Folco Terzani) das Drehbuch verfasst. Bei den Vorgesprächen zur „Schtonk!“-Theaterpremiere an der WLB in der vergangenen Spielzeit reifte bei Intendant Friedrich Schirmer der Gedanke, auch den Terzani-Text , basierend auf dem Drehbuch, als Theaterstück zu zeigen. Das nun zu sehende Resultat, betont Regisseur Esser, ist kein Dokumentartheater, sondern ein Zwei-Personen-Stück, ein Vater-Sohn-Drama. Tritt doch neben das geschildert Leben Terzanis, neben das journalistisch Revue passierende Zeitbild der „Versuch des Sohns, sich von den übergroßen Fußstapfen des Vaters zu emanzipieren“, sagt Esser. Er will das Stück ausdrücklich als eine Art Kampf zwischen übermächtiger Vaterfigur und darunter leidendem Sohn verstanden wissen – und auch als Beitrag zum Thema „Kinder als Karriereopfer“. Denn der Preis für Terzanis journalistischen Ruhm waren nicht nur ständige Wohnortwechsel, auf denen die Kinder ohne Rücksicht auf soziale Bindungen mitgeschleppt wurden, sondern auch psychische Belastungen und Ungewissheiten wegen der riskanten Arbeitseinsätze des Vaters.

Die innere Dynamik des Textes führt von der Schilderung der Reportertätigkeit, von der Zeitgeschichte und der Reflexion des journalistischen Wahrheitsbegriffs hin zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod – und dabei „driftet Tiziano Terzani stark in eine von Neobuddhismus und New Age geprägte Esoterik ab“, sagt Esser und gesteht: „Ich konnte damit früher gar nichts anfangen, habe aber bei der Arbeit mit diesem Text am Rande des Todes ein gewisses Verständnis dafür entwickelt.“

Die Spannung als Theaterstoff ergebe sich aus der allmählich erwachenden Souveränität des Sohns gegenüber dem Vater: „Im Lauf des Stücks entsteht eine Augenhöhe zwischen beiden.“ Esser und der Bühnenbildner Frank Chamier unterstreichen das, indem sie den Sohn gezielt ins Großbild setzen: mit einer auf sein Gesicht gerichteten Videokamera, die ihn während der Ausführungen des Vaters zur stummen, aber mimisch kommentierenden Zentralfigur macht.

In einer Art Gegenläufigkeit bekundet der todkranke Terzani dazu die Zweifel am eigenen Engagement: Der Einsatz für die Wahrheit – oder was er dafür hielt – hat nicht die Resultate erbracht, die er sich erhoffte. Nur die Rückbesinnung auf das eigene Selbst bewirkt im Suchen und Fragen, das die Krankheit aufgeworfen hat, eine Umkehr zur (vermeintlichen) Grundharmonie, die er in sich findet: esoterisch gestärkt für das letzte Abenteuer. „Das ist“, sagt Esser, „keine Beichte und keine Rechtfertigung, sondern das letzte Aufbäumen des Egos gegen den Tod.“

Die Premiere beginnt an diesem Sonntag um 20 Uhr im Podium 1 des Esslinger Schauspielhauses. Die nächsten Vorstellungen folgen am 27. September, 7. und 17. Oktober.