Die Inszenierung kommt bisweilen statisch daher. Foto: Kalscheuer Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - „Was die Bühnenwirksamkeit betrifft, erscheint mir der Rigoletto als das beste Sujet, das ich bisher in Musik gesetzt habe. Dort gibt es Situationen von großer Kraft, Abwechslungsreichtum, Temperament, Pathos“, schreibt Giuseppe Verdi zwei Jahre nach der Uraufführung in Venedig. In der Tat gehört „Rigoletto“ nicht nur wegen seiner Fülle melodischer Ohrwürmer zu den meistgespielten Werken des Opernrepertoires, sondern seine musikdramatische Struktur mit einer stetig vorwärts drängenden Handlung zwischen Schauerstück, Kolportage und psychologisch fundierter Figurenzeichnung macht das Stück spannend. Wohl auch ein Grund dafür, dass auch die B-Premiere der Hochschulproduktion im Wilhelma-Theater - die Erstaufführung am Sonntag fiel mit der Premiere von „Pique Dame“ im Opernhaus zusammen - mit einer alternierenden Besetzung der sechs Hauptrollen praktisch ausverkauft war. Diese Aufführung der Opernschule ist musikalisch lebendig und prägnant, was zu allererst dem 80-jährigen Bernhard Kontarsky zu verdanken ist: der versierte Operndirigent, der auch Werke des zeitgenössischen Musiktheaters von Henze, Kagel, Zender und anderen zur Uraufführung gebracht hat und seine Karriere vor mehr als fünfzig Jahren als Kapellmeister am Württembergischen Staatstheater begann, musiziert mit dem Hochschul-Sinfonieorchester einen hoch dramatischen, scharf ausgeleuchteten Verdi, dessen leidenschaftliche Kontraste von Monterones Verfluchung des Herzogs und seines Hofnarren her gedacht sind.

Brillante Spitzentöne

„La Maledizione“ höhnt Rigoletto im ersten Akt, als der Graf den Herzog von Mantua der Schändung seiner Tochter anklagt; „la maledizione“ erkennt Rigoletto voller Schauder und Verzweiflung am Schluss, nachdem er aus Rache die Ermordung des Verführers seiner eigenen Tochter angezettelt, doch statt dessen den Opfertod Gildas mitverschuldet hat. Der italienisch-ecuadorianische Tenor David Fruci, im 2. Semester des Masterstudiengangs an der Stuttgarter Hochschule, singt die Partie des Herzogs mit brillanten Spitzentönen und viel Gespür für charaktervolle Darstellung. Sein „La donna è mobile“ in der nächtlichen Szene bei Maddalena und Sparafucile zielt keineswegs nur auf leichtfertigen Liebesgenuss, sondern vor dem Schminkspiegel, mit seinem Revolver an der Schläfe und Gedanken an Selbstmord, ist diese Trug-Arie auch Selbstbespiegelung im Überdruss seines Lotterlebens.

Klare Gesten

Sängerisch ist der koreanische Bariton Taeyoung Lee (Student im Konzertexamen an der Hochschule Trossingen) als Rigoletto ein ebenbürtiger, stimmmächtiger Gegner: zwischen Vater und Liebhaber steht Gilda, die von der französischen Sopranistin Anaïs Sarkissian (im 4. Semester des Masterstudiengangs) farbig differenziert und mit beachtlichem Volumen dargestellt wird. Kornelia Repschlägers Inszenierung im Einheitsbühnenbild von Kersten Paulsen setzt auf klare Gesten und symbolträchtige Bilder. In Leichentücher verschnürte Körper baumeln schon von Beginn an über der Spielfläche, auch die tote Gilda wird als solche Mumie am Ende auf die Bühne gezerrt, während Anaïs Sarkissian im transparenten schwarzen Schleier als Gilda-Geist ihren Vater um Vergebung anfleht. Von Liebe entflammt und vom Herzog verführt trägt sie im Mittelakt Rot, die beiden Kontrastfarben für Eros und Thanatos bestimmen auch die Farbhorizonte des auf der Bühne platzierten Handlungsahmens, in dem sich die entscheidenden Szenen abspielen. Der schwarz gekleidete Chor der Höflinge mit Clowns-Halskrausen trägt skurrile Masken, der bucklige Rigoletto legt seine Maske immer dann ab, wenn er seinen wahren Charakter zeigt. Kornelia Repschläger, seit 2016 Professorin für szenischen Unterricht an der Stuttgarter Hochschule, inszeniert ihre Personenführung manchmal zu statisch und konventionell, vor allem wenn die Protagonisten ihre Arien an der Rampe singen. Da dürften die Studierenden an der Opernschule schon andere Regiehandschriften kennengelernt haben.

Weitere „Rigoletto“-Vorstellungen im Wilhelma-Theater am 17., 18., 20. und 21. Juni.