Rea Garvey ist ein bisschen Rocker, ein bisschen Schnulzensänger - und einer mit großem Herz, der sich sozial engagiert. Foto: Torsten Rothe Quelle: Unbekannt

Von Ingo Weiß

Stuttgart - Rea Garvey ist so etwas wie die irische Ausgabe eines Peter Maffay. Ein bisschen Rocker, ein bisschen Schnulzensänger - und einer mit großem Herz, der sich sozial engagiert, der aber auch unverhohlen Kritik übt, wo nötig. Aber stets kommt Garvey dabei als sympathischer und empathischer Mensch rüber. Beim in Stuttgart neuinstallierten Konzertsommer geriert sich der Ire mit harter Optik und weichem Kern jedoch vor allem als eines: als Botschafter der Liebe. Rockig-laut wie schmusig-leise. Gleich mit dem kraftvollen „Wild Love“ startet der 44-Jährige, ganz in schwarz gekleidet, sonnenbebrillt und langmähnig, perfekt ins Set. Bislang war die einfache, aber gute Power-Mitsing-Hymne live meist der emotionale Höhepunkt - jetzt der Auftakt. Da muss also noch was kommen. Und das tut es.

Innige Umarmung

Nach „Sorry Days“ macht er den 4500 Fans im Schatten des Mercedes-Benz-Museums eine weitere, sanfte Liebeserklärung. „I’m all about you“ ist eine offenherzige, intime Liebesballade und im Vergleich zum Opener eine innige Umarmung im Bewusstsein, dass Gefahren von außen immer lauern können. „I’ll meet you at the fire escape if it all starts to burn“, singt der ehemalige Voice-of-Germany-Juror hingebungsvoll. Das Lied stammt von seinem aktuellen und bislang erfolgreichsten Album „Prisma“, auf dem sich Garvey mit persönlichen Kämpfen und mit Unrecht auseinandersetzt. Viele der Songs stehen im übertragenen Sinne für einen Weckruf respektive für einen Aufruf zur Einmischung, dem politischen System entgegenzutreten, Paroli zu bieten. Wie im energischen „Armour“ (zu deutsch: Rüstung), in dem er die Zweifel und Ängste besingt, die uns im Alltag oft dazu verleiten, stumm zu bleiben. Oder in der vorletzten Zugabe „Run for the Border“, ein herrlicher, aufrüttelnder Kracher, der es verdient hätte, den Schlusspunkt des Konzerts zu setzen. Für Garvey steht die Welt in Flammen - und wir müssen laut werden, getreu dem Tour-Motto „Get loud“.

Garvey stellt dem an diesem Abend nur zu bereitwillig ein „Get love“ bei. Bei feinem, fast irischem Nieselregen zelebrieren er, seine vierköpfige, spiellaunige Band und zwei Backgroundsängerinnen fast ausschließlich Liebeslieder - als Bollwerk gegen Hass. Das hymnisch-bombastige „Colour me in“, „Can’t say no“ oder zum Abschluss des regulären Sets das betörende „Oh my Love“ mit seinem wunderschönen a-cappella-Intro bilden Eckpunkte einer dramaturgisch nahezu perfekten Oszillation zwischen kratzig-eingängigen Uptempo-Rockern und schmeichelnden Balladen, zwischen Stadionhymnen und familiärer Atmosphäre. Die Sehnsucht nach großen Gefühlen zieht sich durch an diesem luftig-frischen Sommerabend, die Mischung aus zeitgemäßen Pop- und Rocksounds, vermengt mit Country Folk-Versatzstücken geht unter die Haut.

Wobei Garvey dem poppigen Rock wieder näher steht als jenem Folk-Traditionalismus, den seine irische Identität vermuten lassen könnte - und den er vor zwei Jahren noch in der Porsche-Arena in den Vordergrund gestellt hatte. Nur beim Traditional „Black is the Colour“, das er leise, berührend dahin haucht, bekennt sich der Mann aus Tralee in Westirland musikalisch zu seinen Wurzeln. Hier klingt seine warme Stimme, die ebenso von Kontrasten lebt, verletzlich, ansonsten aber kraftvoll und stark. Am besten kommt sein Organ zum Tragen, wenn er sich - wie beim countryesken „Candlelight“ - mit der Akustikgitarre selbst begleitet.

Das herrliche Feel-Good-Konzert ist weder Schonwaschgang noch Weichspüler, sondern ein angenehmes Schleuderprogramm, gefüllt mit Emotionen sowie Authentizität. Garveys Musik spiegelt seine Gefühle und Geschichten wider. Solche Anekdoten gibt er vor Freude sprühend immer wieder zwischen seinen Songs zum Besten: witzig, charmant und stets mit dem Schalk im Nacken, der durch seinen irischen Akzent noch verstärkt wird. Im Grunde ist Rea ein Kneipen-Typ, ein lässiger Star mit großer Bodenhaftung, der ohne Scheu den Gang durchs Publikum wagt („Love someone“), um die Liebe der begeisternden Fans leibhaftig zu spüren. Irish Pub-Flair auf dem musealen Betonareal.

Herausragend sind zwei Stücke. Der Reamonn-Hit „Supergirl“, mit dem Garvey 2000 hierzulande der Durchbruch gelang, nachdem er zwei Jahre zuvor von der Grünen Insel in den Bodenseeraum umgesiedelt war. Die schöne Version widmet er, nicht anders vorstellbar, der Liebe seines Lebens, seiner Frau Josephine. Das zweite Lied ist ebenfalls eine Erinnerung an einen großen Moment der Liebe: „Be Angeled“ vom Trance-Duo Jam & Spoon“, das vom bunten Spektakel der Berliner Loveparade Anfang 2000 in Berlin handelt und dem Rea seine Stimme lieh. Genauso schillernd ist das Bühnenbild mit neonbunten Spinnfäden, die wie Laserstrahlen die Kulisse durchspannen.

Band darf glänzen

Als Zugaben gibt es „End of the Show“ in einer Extended Version, bei der die Band am Schluss solo glänzen darf, und zuvor die traurig-schöne Mutmacher-Ballade „It’s a good Life“ mit Johnny-Cash-Anleihen. In der Tat: Das Leben, das wir führen, ist gut. Und an diesem unterhaltsamen Abend noch ein wenig besser. Für eindreiviertel Stunden genießt das tanzende Publikum eine heile Welt voller Liebe, in der es egal ist, dass die Sonne nicht durchdringt. Die Gesichter der Menschen strahlen trotzdem. Rea Garvey muss unbedingt wiederkommen - und auch der Kultursommer schreit nach liebevoller Fortsetzung.